Kolumne 2011

„Es ist ja ein Merkmal unserer Zeit, dass es keine Utopien und keinen Konsens über gemeinsame Ziele mehr gibt. Wir glauben nicht mehr an Gott, der Kommunismus ist tot, zum Mond fliegen will niemand mehr, und auch die etwas banale, aber in der westlichen Welt lange gültige Formel, dass es immer weiter aufwärts geht, ist außer Kraft.“

Dieses Zitat stammt von Lutz Fügener. Keine Ahnung was der Mann für Musik hört, dies ist seine Aussage zum aktuellen Stand im Autodesign. Dennoch passt sie als Zustandsbeschreibung für derzeit jede gesellschaftliche Entwicklung. Also auch für Heavy Metal.



FUCK METAL!


Wo kommen wir an, wenn es nicht mehr vorwärts geht? Im Retro! Und 2011 war definitiv auch das Jahr des Retro im Metal. Thrash ist entgültig wieder zurück; eine ganze Generation, die noch nicht mal auf der Welt war, als Metallica mit dem Black Album ihr wahrscheinlich letztes wichtiges musikalisches Statement abgeliefert haben, zwängen sich wieder in Spandex, klauen den Basketballern ihre Schuhe und feiern die alten und neuen Helden. Auch im Death Metal dominierte in diesem Jahr erneut die alte Schule. Morgoth sind wieder da, Autopsy haben nach ihrer Wiedervereinigung ein starkes Teil zusammengeprügelt und Bands wie Vallenfyre zeigten, dass man auch als „neue“ Band mit 90er Jahre Sound immer noch für Begeisterung sorgen kann.

So richtig Retro wurde es aber unter anderem mit den Kollegen von Graveyard, die problemlos ein aktuelles Led Zeppelin-Album hätten einspielen können. Sogar Opeth sind 2011 vollkommen im 70er Prog-Rock aufgegangen. Gerade Opeth, die früher zumindest den Hauch von Avantgardismus ausgestrahlt haben, machen jetzt Mucke, die es genau (und besser) schon mal gab, weshalb man sich da genau wie bei Graveyard fragen kann: Warum nicht gleich das Original hören?

Oder einfach warten, bis sich das Original noch mal aufrafft, wie nicht ganz zufällig im Fall von Black Sabbath geschehen. Getrieben vom Retro-Wahn und einer eh starken Doomszene 2011 können sich die alten Männer die auf 150 Millionen Dollar geschätzten Einnahmen nicht entgehen lassen und hieven ihre Arthrose-geschunden Körper noch mal auf die Bühnen der Welt.

Was man 2011 auch verstärkt sehen konnte, war die Vermischung. Wo nichts Neues generiert werden kann, wird eben gemischt. Kvelertak zeigten das in diesem jahr genauso wie Skeletonwitch oder Black Tusk. Vor allem Doom und seine Derivate (Stoner, Sludge, etc.) durfte 2011 mit allem gemischt werden. Ob ekliger Death/Doom wie Sonne Adam (eigentlich ja auch Retro) oder hypnotischer Black/Doom (NunFuckRitual), mit Doom war 2011 alles möglich.



BOB DYLAN IS RETRO METAL!


Wo sich aber Trends ausmachen lassen, lässt sich allerdings auch Konstanz zeigen. Jedes Genres des Heavy Metal wurde in diesem Jahr mit einer unüberschaubaren Menge an Neuveröffentlichungen bedacht. Vieles davon wird zwar den Untergrund nie verlassen, aber genau dieser Untergrund war immer der Index für den Gesundheitsstand des Heavy Metal. Sicherlich war viel Mittelmaß dabei, Bands die jedoch wirklich hart an ihrem eigenen Stil arbeiteten, stachen dafür wie jedes Jahr umso stärker heraus.

Was passiert 2012? Definitiv noch mehr Retro. Ich warte eigentlich nur drauf, wieder Glam-Metaller mit femininem Make-Up zu sehen.

Nachdem Metalcore in den letzten Jahren immer mehr vom Death Core verdrängt wurde (was auch immer diese Stilrichtung zu bedeuten hat), wird dieses Phänomen weiter gehen, Bands wie Bring Me The Horizon, IWRESTLEDABEARONCE oder Suicide Silence sind zu groß um einfach zu verschwinden. Spricht diese Musik jedoch wie die meisten Retro-Bands auch eher die jüngere Zielgruppe an, so wird sich zeigen, wer die größere Fanbase hinter sich scharen kann.

Mehr moderner Death Metal wäre 2012 schön. Klar, die Decapitated Reunion war schön, Obscura lieferten ein fantastisches Album ab und auch Vader enttäuschten dieses Jahr nicht. Es fehlten aber irgendwie die großen Nackenbrecher wie Vomitorys 2009er Album „Carnage Euphoria“. Da hilft es wenig, dass man sich 2012 auf ein neues Dying Fetus-Album freuen darf.

Außerdem erwarte ich im nächsten Jahr noch mehr Mustermischungen (Doomgrind, Paganstoner, Powershoegaze) und richtig abgefahrenes Zeug, wie es die norwegischen Shining auf ihrer Blackjazz-DVD zeigten.

Außerdem ist zu erwarten, dass Metal in den Mainstream-Medien weiterhin argwöhnisch belächelt wird (siehe RTL/Wacken). Das ist ok so, wir brauchen die Anerkennung eh nicht, allerdings würde die Szene gerne auf solche halbseidenen Berichte wie zuletzt über die Korrelation von Heavy Metal und Depressionen verzichten. Vielen Dank!



HEAVY METAL CAUSES DEPRESSION!