Irgendwo war zur Tourankündigung zu lesen, dass neben Kyuss auch Sleep zu den Begründern des Stoner-Genres gezählt werden müssen. Das dürfte aber auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen den Bands sein. Während die erstgenannten schon immer etwas rockiger und grooviger unterwegs waren und das Beste aus ihrer Karriere rausgequetscht haben, liegt der Fall bei Sleep doch etwas komplizierter. Zum einen sind Sleep musikalisch dem Metal und Doom eine ganze Ecke näher und mit ihren drogenschwangeren Texten nicht wirklich massenkompatibel und zum anderen scheinen sie nur selten das Förderlichste für ihre Karriere getan zu haben.
Das einstündiges Monumentalwerk „Dopesmoker“ wurde beispielsweise von ihrer damaligen Plattenfirma als „nicht vermarktbar“ abgelehnt, was schließlich auch zur Auflösung der Band führte. 2009 hat sich die Band zwar zu 2/3 wiedervereint, so wirklich oft bekam man sie seitdem aber nicht zu sehen. Ach, und ein neues Album haben sie natürlich auch nicht aufgenommen, weshalb es von vielen ihrer Songs nur Live-Aufnahmen gibt.
Das alles muss man wohl wissen, um zu verstehen, warum das Conne Island bei Kartenpreisen von 23 Euro an einem Donnerstag brechend voll ist, obwohl nur 2 Bands auftreten.
A Storm of Light
Ja, zwei Bands. Irgendwer bekommt bei solchen Touren ja immer die unliebsame Aufgabe, ein Publikum zu bespaßen, das eigentlich für eine ganz andere Band gekommen ist. A Storm of Light hatten sich dieser Aufgabe angenommen, denn hey, wer will nicht Vorband von Sleep sein? Obwohl viele (ich eingenommen) wohl maximal vorher kurz in das Schaffen der Band reingehört haben, dürften die Amis doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
A Storm of Light
Die relativ düstere Videoinstallation unterstrich mit den Bildern von Industrie, Feuer und Rauch passend das musikalische Ambiente. Der schwere melancholische Doom der Band aus Brooklyn bildete eine dicke Wand aus Sound, von überall her flimmerten Verzerrungen in die dröhnenden Ohren. Ein Geräusch legte sich auf das andere, so dass man schnell das Gefühl bekam, man würde zwischen den Elementen zerdrückt. Hinzu kamen immer wieder nervös flirrendes Postrock-Strumming, psychedelische Klangwelten oder etwas Slide-Guitar. Genug um den unbarmherzig stampfenden Doom aufzulockern, nicht genug um wie ein fauler Kompromiss zu klingen. Nach knapp einer Stunde waren die Amis fertig und es dürfte sich wohl keiner gelangweilt haben. Tatsächlich kann man jedem nur ans Herz legen, auch privat mal in eins der drei Alben reinzuhören, die das Trio aus Brooklyn in ihrer fünfjährigen Bandgeschichte zusammengeschraubt haben. Letztlich ging es aber heute um eine andere Band, was nicht zuletzt auch am eher einseitigen Interesse am Merchandise-Stand zu spüren war.
Die Umbaupause gestaltete sich erfreulich kurz, vielleicht auch, weil A Storm of Light fleißig mit anpackten, ganz besonders aber, weil über den Beamer für die Videoinstallationen eine merkwürdige Doku aus den 70ern lief, die den menschlichen Evolutionsdruck auf japanische Krabben thematisierte. Typisches Stoner-Fernsehen, würde ich mal behaupten…
Sleep
Sleep
Und so war es schließlich so weit. Ohne großen Soundcheck oder Intro eröffneten Sleep ihre Show direkt mit dem Song, der ihre Karriere damals beendete: „Dopesmoker“. Man kann nicht sagen, dass dieser Song nicht auch thematisch zu diesem Abend gepasst hat. Ein leicht grüner Geruch hing in der Luft und schien auch von der Bühne zu kommen. Zumindest sahen Bassist Al Cisneros (nebenbei Gründer von OM) und Gitarrist Matt Pike (High on Fire) nicht gerade nüchtern aus. Allerdings musste man sich nicht taub geraucht haben, um in die richtige Stimmung zu kommen. Die überlangen, konsequent zermürbenden Songs zwangen das Gehirn förmlich auf Wanderschaft, bis man sich 5 Minuten später dabei ertappte, dass man nicht mehr wusste, worüber man eigentlich nachgedacht hat.
Nachdem man so 20 bis 30 Minuten lang „Dopesmoker“ gespielt hatte, entschied man sich, den wohl bekanntesten Song gleich hinterherzuschieben: „Dragonaut“. Ein Jauchzen ging durch das Publikum und spätestens jetzt war nur noch eine homogen nickende Masse auszumachen, die ihre individuelle Existenz für einen kurzen Moment aufgaben, um Teil etwas größeren zu werden.
Sleep
Sleep
Weiterhin gab es noch einen Songs zu hören, der es nie auf ein Album geschafft haben, obwohl Sleeps derzeitiges Label Southern Lord sicher Interesse daran hätte, ein neues Sleep-Album auf den Weg zu bringen. Aber so scheinen die Amis nun mal nicht zu denken. Schließlich bildet „Antarcticans Thawed“ mit den eindrucksvollen Bildern von Eisbergfeldern, Bergen und Kosmonauten (?) eine psychedelische Einheit, die jedes Mal wieder live aufs Neue erschaffen wird. Kaum weniger exklusiv ist das Hörvergnügen bei „Sonic Titan“, eine Song der es zwar auf eine der unzähligen „Dopesmoker“-Versionen geschafft hat, aber auch da nur einer qualitativ wenig hochwertigen Live-Version.
Natürlich hatten Sleep die fünfte (oder sechste?) Version ihres Albums zum Verkauf mitgebracht, irgendwas müssen sie ja aus ihrer Geschichte gelernt haben. Eine Vinyl-Version allerdings soll erst am nächsten Tag in Prag zur Verfügung stehen (sicher streng limitiert).
Sleep
Will man ein Fazit ziehen, kann man das Conne Island nur zu dem Mut beglückwünschen, Sleep an einem Donnerstag nach Leipzig zu holen. Ein echter Glücksfall für alle Fans, die sich dieses seltene Ereignis nicht entgingen ließen. Zumal die Bands noch relativ am Anfang der Tour stehen und dementsprechend frisch und spontan agierten. Kann natürlich auch sein, dass die spontane Ansage von Sänger Al, das Publikum möge sich doch kostenlos Sticker mitnehmen, weil es so super sei, eine abgeklärte Marketing-Aktion ist. So richtig glauben kann man das bei dieser Band aber nicht…