DIENSTAG:
Mann, war das eine kalte Nacht. Gut, dass man neben drei Isomatten auch noch einen kälteresistenten Schlafsack im Gepäck hatte. Wäre dem nicht so gewesen, hätte man diesem mit strahlendem Sonnenschein überzeugenden Tag wohl weniger enthusiastisch entgegen gesehen. Doch alles gut - wie gewohnt - und die zweite Runde kann nach einem nahrhaften Frückstück von unserem Freund Albert bei vollen Paukenschlägen eingeläutet werden. Ready? Fight!
Das Incubate ist auch immer gut, um ein bisschen Kunst zu erleben. Ob das nun in Form obskurer Installationen stattfindet oder direkt im Theater, die städtische Kunsthochschule hat überall ihre Finger im Spiel, um unbescholtene Musikfreunde mit verstörender Metakunst zu verschrecken. So auch an diesem Dienstag, der mit Skateboard-Kunst und einem Akira-Simpsons-Hybrid enttäuschen sollte. Den Vogel richtig abgeschossen haben jedoch Vonk - dazu fällt mir eigentlich gar nichts ein….[Win]
Jedes Jahr versuche ich auf dem Incubate das merkwürdigste Stück “Contemporary Art” zu finden, alleine schon um meine reizende Begleitung damit zu reizen. Mit Vonk gelang mir das ganz gut, denn die irgendwo im experimentellen Musiktheater angesiedelte Darbietung ist mit “merkwürdig” noch wohlwollend umschrieben. Es ging wohl um Marquis de Sade, Meta-Modernismus und Charlie Hebdo, wie ich den holländischen Ausführungen des Regisseurs entnehmen konnte. Die Kunststudentinnen im Publikum schrieben fleißig mit und jeder durfte sich freuen, diesem “Cutting Edge”-Stück beigewohnt zu haben. Kollege Winterfreud war auf jeden Fall außer sich vor Freude. Vor allem weil seine alte Freundin Rianne Wilbers wieder dabei war und ihren operhaften Sopran-Gesang beisteuerte.
Merzbow
Der Japaner Merzbow durfte auf dem Incubate 2015 in drei verschiedenen Konstellationen seinen unbarmherzigen Noise zelebrieren. Hier und jetzt traf sein wirklich unangenehmer Krach auf den Drummer Balázs Pándi, der seinen eigenen Beitrag zu diesem Geräuschangriff leisten durfte. So trommelte er extatisch vor sich hin, mit dem Ziel - ja welchem Ziel eigentlich? Und wie entscheidet Merzbow, was ein “guter” Song ist? Diese Fragen blieben unbeantwortet, denn wir wollten nicht weiter über diesen fiesen Krach nachdenken und verzogen uns zu 8-Bit-Glitch-Techno, der zumindest meinem einfachen Musikgemüt deutlich mehr zusagen sollte.
Andrew Hung
Andrew Hung hat sich im aktuell trendigen 8-Bit-Genre bequem eingerichtet und präsentierte seine erfrischend vielschichtige Mischung aus Gameboy-Sounds, harten Beats und atmosphärischen Ethno-Klängen. Immer leicht gegen den Takt und Lage auf Lage packend, empfahl sich Mr. Hung definitiv für die heimische Nachbetrachtung. Aber ein Mensch mit (stoned) Zoidberg-Shirt kann ja auch kein schlechter Mensch sein, was der Electro-Verachter Winterfreud natürlich wie immer anders sah. [Fur]
Nachdem der 8-Bit-Asiate mich nicht wirklich zum Tanzen bringen konnte, mussten die Briten Giöbia diese schwere Aufgabe übernehmen. Mit ihrem Mix aus 60er-Psych-Rock, einer Prise Uncle Acid & The Deadbeats sowie einlullenden Prog-Riffs, hatten sie schon mal das richtige Konzept dafür im Gepäck. Sogar ein dezenter The Doors-Spirit kam auf, was schon fast zu viel des Lobes ist. Dass dann noch Lichtshow und Sound gepasst haben, war der ausschlaggebende Punkt, die Show bis zum Ende zu verfolgen. Der Vierer vermochte eine sehr intensive und vereinnahmende Bühnenpräsenz zu entwickeln, die durch eine trippige Lichtshow untermauert wurde. Eines der Highlights des Tages.
The Melvins
King Buzzo, der kauzige Frontmann der Melvins, hat es sich auf dem Incubate richtig bequem gemacht. Nachdem er im letzten Jahr bereits das Midi mit seiner Solo-Show beglückt hatte, kehrt er dieses Mal gleich zweimal auf die Bühne zurück, um der hungrigen Meute die volle Melvins-Dröhnung zu verpassen. Und diese kam auch zahlreich, deutlich zahlreicher als zu allen anderen Venues bisher. Der Tingel-Tangel-Bob der harten Strommusik gibt sich indes unprätentiös und schrubbt mit sichtbarer Begeisterung und in einen blumig-bunten Poncho gekleidet, seine Klassiker runter. Die Unterstützung durch zwei Drummer ist dabei zwar spieltechnisch nicht unbedingt notwendig, bringt aber ordentlich Wucht in das Geschehen. Für The Melvins-Fans mit Sicherheit eine Offenbarung, für alle anderen etwas, das man mal gesehen haben kann, denn so richtig einzuordnen sind die Amerikaner nicht.
Tearist
Wer kennt noch das Märchen von Allerleirauh? Tearist anscheinend schon, denn Frontfrau Yasmine Kittles, eine Deutsch-Amerikanerin mit leichtem Hang zum Psychotischen, kam wie ein kleines Waldtierchen verkleidet auf die Bühne des Extase gekrochen. Die Verbindung zum Märchen bricht jedoch an der Stelle, wo die zierliche Yasmine mit zwei Metallblöcken um sich schlagend einen Nervenzusammenbruch mimt und so gar nicht wie eine liebreizende Prinzessin wirkt. Das ändert aber nichts daran, dass Tearist eine umwerfende Show abgeliefert haben, denn wir waren auch nicht wirklich auf eine adäquate Märchenvorstellung aus. Der depressive Elektro-Pop des Duos ging direkt ins Herz, hatte sogar seine tanzbaren Momente und Mrs. Kittles entwickelte eine beinahe düstere Aura, die von destruktivem Verhalten, Angst und Wut erfüllt war. Was soll man sagen? Das war einfach nur schön. [Win]
Useless Eaters sollten den Abschluss des Tages bieten, hinterließen aber mit ihrem Low-Fi-Surf-Rock keinen nachhaltigen Eindruck. Sie waren vielleicht nicht komplett “useless”, von coolen Typen aus San Francisco sollte man aber mehr erwarten können.
“Beer Special with Heavy Headbanging, Heavy Beer Drinking and special DJ” - So wurde die Dienstag-Aftershow im Little Devil angekündigt, tatsächlich stimmte aber nur der erste Teil. Bei gluten-freiem veganen Bio-Craft Bier wurde zwar allerlei Quatsch geredet und mit den Jungs von A Forest of Stars darüber gefachsimpelt, wie sie ihr ausladendes Equipment bei der anstehenden Tour auf diese kleine Bühne bringen sollen (Keytar statt Keyboard!), der DJ war allerdings eine Katastrophe und Headbanging war nicht zu entdecken. Dann lieber noch einen Absacker vor der Feuertonne auf dem Zeltplatz. [Fur]
Entdeckung des Tages:
Tearist
Giöbia
Andrew Hung