DONNERSTAG:
Regen, Regen, Regen, der Wettergott heult sich an diesem Donnerstag mal wieder die Augen aus, weil er nicht aufs Incubate eingeladen wurde. Und für seine feucht-kalte Performance gibt es auch keinen Applaus. Lediglich der Fakt, dass abends immer gutes Wetter ist, hätte einen einfachen Applaus verdient. Doch man soll ja nicht zu viel loben, denn dann werden die Leute nachlässig. Für uns beginnt der Tag sowieso erst gegen 19.00 Uhr, wenn Youff in der Hall of Fame aufspielen. Bis dahin kann man noch schön bei stürmischem Dauerregen Tyrannen-Quartett spielen. Mal sehen, wer Trumpf ist.
Kurzentschlossen haben wir uns gegen 18.00 Uhr bei aufklarendem Wetter noch in das BKKC begeben, wo die Brabanter Kunst-Community sich und ihre Absolventen feiern sollte. Von verrückten Gipsgestellen über hocheffiziente Stadtplanung bis hin zu Lichtinstallationen war dort auch alles vertreten, was das Kunstherz begehrt. Kollege Fur war sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher, ob er den dekorativen Gipsmüll für 350 Takken vielleicht sogar mitnehmen sollte. Doch viel Zeit, um darüber zu sinnieren blieb nicht, denn Eegah standen in den Startlöchern, welche mit ihrem prähistorischen Stoner Metal nur mäßig überzeugen konnten, aber von der hippen Kunst-Klientel massiv gefeiert wurden. Dann doch lieber in die Hall of Fame.
Youff
Irgendwo zwischen Mantar und dezenten Grindanleihen waren Youff zu verorten, die den Reigen in der Hall of Fame eröffnen sollten. Das Duo verstand es, mit druckvollen Drums und wuchtigen Bass-Salven die Bodenplatten zum beben zu bringen. Schon beeindruckend, welche Soundwand hier zu zweit erzeugt wurde, nur an Groove fehlte es zum Ende hin dann leider doch. [Win]
Kru$h
Groove hatten Kru$h schon so ein bisschen. Das war es dann aber im Prinzip auch. Simpler, crustiger Grind der stumpfen Sorte stand auf dem Programm und nachdem man alle Gitarren-Chords der Gitarristin gesehen hatte (E, F, G, A), wollte ich eigentlich nur wieder raus aus dem Little Devil. Wie viel von der Gitarrenarbeit überhaupt zu hören war, lasse ich mal dahingestellt. Wer sich im Prinzip selber die Gitarre mit seinen dicken Dreadlocks dämpft, legt aber wahrscheinlich eh keinen großen Wert auf ein differenziertes Klangbild. [Fur]
Irgendwann müssen sich Wege auch mal trennen und so verabschiedete ich meinen Kollegen kurzerhand in seine elektronische Freiheit, um zurück in die Hall of Fame zu fahren, wo Vvovnds spielen sollten. Bei gewohnt inexistentem Licht prügelten sich dort vier Jungspunde die Seele aus dem Leib, was ein wenig an Elitist erinnerte und grundlegend gut Druck aufzubauen vermochte. Der etwas schlaksige Frontmann stand derweil seinen Mann mitten im Publikum und animierte so zumindest die ersten Reihen, sich zur Musik zu bewegen. Nur soundmäßig hatten die verwundeten Kiddies einige Probleme, was entweder am Bass oder an der Bassdrum lag, denn in recht regelmäßigen Abständen knarzte und kratze es nur noch aus den Boxen. [Win]
Nachdem man sich die letzten Jahre immer gefragt hatte, wie die Holländer es trotz ihrer chaotischen Fahrweise schaffen, keine Unfälle mit ihren Rädern und Rollern zu bauen. Die Antwort lautet: Manchmal passierts dann doch. Geistesgegenwärtig umkurvte ich den relativ harten Crash, bei dem ein Auto zwei Jungs auf ihrem Motorroller umräumte und steuerte mehr oder weniger zielsicher ins Factorum, wo Uma ihren chillig geloopten Electropop präsentieren sollten.
Normalerweise zu zweit unterwegs, musste Ella heute alleine ohne ihren Mann Flo die verträumten Stücke präsentieren und absolvierte damit zugleich ihren ersten Solo-Auftritt. Damit rutschte sie unfreiwillig in den großen Bereich der alleinunterhaltenden Electro-Ladys, wo es brutal starke Konkurrenz gibt. Mit sympathischen Ansagen und jeder Menge Gefühl schaffte sie es trotzdem, dass man sofort in Stimmung kam, in dem bequemen Kino-Stühlen die Augen schließen und einfach mal die Welt vergessen konnte. Ihr Pixies-Cover zum Abschluss hinterließ bei einigen den Ohrwurm des Tages. Danke Ella! [Fur]
Yak
Endlich wieder vereint zu einer kleinen Prise Garage Rock im Cul de Sac, die von den Briten Yak kredenzt wurde. Durch eine Art Hammond-Orgel-Loop-Gerät erschufen sich die vier Londoner einen sehr eigenständigen Grundsound, der durch wilde Gitarrenriffs, einen blubbernden Bass und leicht verzerrte Vocals ergänzt wurde. Das Ganze machte ein wenig den Anschein eines Jams und bot hier und da schöne Momente, zu denen man gemütlich ein Bier trinken konnte. [Win]
Dead Neanderthals
Yak waren mir ja insgesamt zu jammig, da bot der straighte Nirvana-Grunge von Zentralheizung of Death des Todes schon besseres Mitwipp-Potential. Neues zum Thema hatten die Deutschen allerdings nicht zu sagen, deswegen noch ein schneller Abstecher ins Midi, wo Dead Neanderthals alle Noise- und Drone-Freunde glücklich machen sollten. Für uns war allerdings der wichtigste Verdienst dieses Trios, dass sie Shining eingeladen hatten.
10 Minuten dronender Krach von Saxophon, Gitarre und Schlagzeug genügten, um einstimmig nebenan ins Extase zu wechseln und uns dem bei verträumten, analogen Elektro von Death and Vanilla ein bisschen zu entspannen. Das Trio verstand es Vibraphon und Mellotron mit interessanten Beats, Gitarrensprengseln und emotionalem Frauengesang sauber zu verbinden, weshalb die traurigen Blicke des Gitarristen wohl als Teil der Show und nicht als Unzufriedenheit zu werten sind. [Fur]
Shining
Mit Shining stand im Midi der Must-See-Act des Tages auf der Bühne. Die Norweger und ihren Black Jazz konnte ich bisher nur auf Platte abfeiern und so war es höchte Eisenbahn, auch mal zu schauen, wie das hochkomplexe Jazzgeschubber live wirkt. Frontmann Jørgen Munkeby schien die gute Laune an diesem Tag mit Löffeln gefressen zu haben und gab sich äußerst redsam und spielfreudig. Das muss man auch der restlichen Band attestieren, die mit höchster Professionalität ein Brett nach dem anderen abfeuerte und größtenteils für ungläubig dreinschauende Gesichter sorgte. Shining spielen einfach auf einem anderen Level, das wurde an diesem Abend klar. Dazu passte auch der ernorm gute Sound und die frenetische Stroboshow, welche Kollege Fur direkt für einen strategischen Powernap nutzte. Für diejenigen, die wach blieben, gab es neben komplett neuen Songs der anstehenden Platte auch Klassiker der 2010er “Blackjazz” wie “Healter Skelter” und ”Fisheye” zu hören. Ein sehr elaborierter Abriss.
Fumaca Preta
Die aus dem schönen Brighton stammenden Fumaça Preta hatten zwar nicht ihre auf der Website versprochenen Papiermasken auf, als wir das Cul de Sac betraten, aber dafür allerlei afrikanische Rhythmusgerätschaften dabei. Dazu gab es noch einen Bassisten mit Maske sowie einen Gitarristen, der einen formschönen, mit Wolken bedruckten Morphsuit trug. Musikalisch bewegte man sich mit dieser Konstellation irgendwo im Bereich von Ethno-Rock, der einen Hauch World Music versprühte, aber auch dezente Garage-Noten nicht verleugnen konnte. Insgesamt eine nette Geschichte, die mir nach Shining jedoch nicht vielschichtig genug daherkam.
Zeit, sich auf den Zeltplatz zu begeben und den Tag am Feuer gemütlich ausklingen zu lassen. Irgendwann muss man den Körper auch einfach mal runterfahren lassen und so musste Kollege Fur allein seinem Guilty Pleasure fröhnen. [Win]
Während Kollege Win seinem rebellierenden Körper Tribut zollen musste, war ich noch voll dabei und bereit, mir die volle elektronische Breitseite zu geben. So schaffte ich es gerade noch zu den letzten 20 Minuten von Outernational, der angekündigt wurde als “the least authentic, least worthy and most exciting in international funk, disco, psych and dance.” Wo das Incubate ja gerne auch bei absolutem Schrott derb auf die Kacke haut, passt hier die Beschreibung perfekt. Harte Beats trafen auf Ethno-Klänge und gingen sofort in Mark und Bein. Dagegen sind die Cairo Liberation Front auch in diesem Jahr höchstens ein Guilty Pleasure, wenn man ein total zugedröhnter Holländer ist.
Apropos zugedröhnte Holländer: Auf dem Weg zu Ed Rush waren einige prototypische Tanzopfer zu sehen, deren Unterhaltungen und Handgreiflichkeiten man dank jahrelangem New Kids Konsums problemlos folgen konnte. Plötzlich schien die zum Tanzabend zahlreich eingesetzte Security gar nicht so übertrieben. Zitat: “EY JUNG!”
Drum and Bass gehört aufgrund der oft hypernervösen Hi-Hat-Ekzesse nicht gerade zu meinen favorisierten Electro-Genres, Ed Rush verstand es aber, dieses Genre so hart und düster aufzuladen, dass es mir mit jeder Minute wärmer unter meiner Metal-Kutte wurde. Definitiv das Highlight dieses Abends und man kann nur der Incubate-Ankündigung zustimmen: “Dragging drum'n'bass to hell and back, he has been responsible for jungle's (re)turn to the darkside”.
Entdeckung des Tages:
Ed Rush
Uma