Das Präfix der aktuellen Zeit ist post. Vom schwammigen Begriff der Postmoderne über den Postkapitalismus bis hin zur Postdemokratie: Wir sind dabei, alles zu überwinden, ohne zu wissen, was uns danach erwartet. Das steckt in uns drin. Wir können nicht anders. Die Überwindung des Lebens führt zum Tod. Der Tod ist sozusagen Postleben und keiner kann sich ihm entziehen.

Sólstafir haben den Black Metal überwunden, machen also irgendwie Post Black Metal, wenn man einfach mal einen schwammingen Genrebegriff zur Hilfe ziehen will. Den Tod haben sie aber noch nicht überwunden, weswegen dieses Album noch stärker als der grandiose Vorgänger „Masterpiece Of Bitterness“ eine dunkle Todessehnsucht bearbeitet. Sólstafir haben auf Köld also auch die Melancholie überwunden. Was bleibt, ist Verzweiflung und Wut, welche sich immer wechselseitig beeinflussen: Aus größter Verzweiflung wird Wut und umgekehrt. Musikalisch manifestiert sich das in Riffs, die wie Äpfel an einem Ast so lange wachsen, bis dieser letztlich unter der Last seiner Früchte zerbricht. Mit Schwarzmetall hat dieses Werk nicht mehr viel zu tun. Höchstens auf den Höhepunkten der absoluten Verzweiflung und Wut, kurz bevor der musikalische Ast bricht, blitzt der lichtlose Ursprung hervor und auch wenn die Musik häufig positiver und hoffnungsvoller klingt als es der lyrische Rahmen erahnen lässt: Sólstafir lassen keinen Zweifel daran, dass am Ende jedes Wunsches und jeder Hoffnung nur der Tod stehen kann.

Dabei spielen die Isländer bewusst mit einer Mischung aus doomigen Klangteppichen, uneuropäischen, fast schon amerikanischen Alternative-Riffs und nordeuropäischen Melodieattacken. Eine Mischung, die auf dem Reißbrett unvereinbar wirkt, sich aber in den durchschnittlich 8minütigen Songs perfekt zusammenfügt. Hierin besteht die große Kunst und die Einzigartigkeit dieser Band. Von dem akustischen Eröffnungsstück „78 Days In The Desert“ bis zum „Necrologue“ nimmt dabei die Energie und verbliebene Hoffnung immer weiter ab, bis sie mit dem 11minütigen Ambientstück „World Void Of Souls“ schließlich zum Erliegen kommt:

„The daylight only lasts for
A couple of hours
So I haven’t seen any colors
For a couple of weeks.
It doesn’t matter
I’ve always been into bleakness
Even my dreams are in black and white.“

Ja, nordische Winter können hart sein und Sólstafir wissen das. Aber irgendwas ist da noch: Das Album nimmt mit „Love Is The Devil (And I am In Love)“ noch einmal Schwung auf und zeigt mit dem Endstück „Goddess Of The Ages“ nicht die erwartbare Eindeutigkeit und Konsequenz. Ja, irgendein Funken Hoffnung ist da noch, vielleicht nur ein Schimmer, ein letztes Aufleuchten, aber immerhin.

Ein großes Lob muss ich zum Ende noch dem Sänger Aðalbjörn Tryggvason aussprechen, der jederzeit seine Stimme gezielt einzusetzen weiß, ohne langweilig oder pathetisch zu klingen. Vielleicht übersteht „Köld“ den Test der Zeit nicht ganz so gut wie der Vorgänger, welcher seinen Namen völlig zurecht trägt. Dennoch sei diese Platte jedem Metaller ans Herz gelegt, für den Metal mehr ist, als Saufen und Bangen.

Sólstafir · Köld · 2009

Redaktion

verfasst von Furfighter
vom 15.06.2009

9 / 10

Playlist

01 - 78 days in the Desert
02 - Köld
03 - Pale Rider
04 - She Destroys Again
05 - Necrologue
06 - World Void of Souls
07 - Love is the Devil (and I am in Love)
08 - Goddess of the Ages