Ein paar Monate ist es jetzt alt. Es ist klein im Format, ein geballtes Energiebündel! Manchmal ein bisschen starrköpfig, dann schreit es und macht allen Feuer unterm Hintern, dann wieder ganz sanft und anschmiegsam. Die Rede ist vom neuen Ribozyme-Album mit dem süßen Namen „Presenting the Problem“, a.k.a. Wall-of-Sound. Auch das fünfte Kind der Band (wohlgemerkt das zweite, das aus der aktuellen Bandaufstellung hervorgegangen ist) zeigt einen vielfältigen Charakter: klare Statements kombiniert mit schnellen Riffs, aber auch ruhigen Melodien. Ein Rock-Metal-Crossover-Baby, 10 Songlängen groß, 40-Pfundminuten schwer, mit blauen Progressive-Augen und 'ner stolzen Alternative Metal-Stupsnase. Nach der ersten Auswertung dieses Werks haben wir das Norweger-Trio, bestehend aus Kjartan Ericsson (Gesang, Gitarre), Bård Bøge (Bass, Gesang), Cato Olaisen (Drums), online mit Fragen bebombt, um eine rechtskräftige Geburtsurkunde auszustellen.





Erstmal: Hi! Wie geht’s euch?

Hi, Metal Impetus! Uns geht’s gut, danke!


Euer neues Album heißt „Presenting the Problem”. Was steckt hinter dem Titel und wie sieht die inhaltliche Verbindung aus zwischen dem Albumtitel und den Songs auf der Scheibe.

Kjartan: Der Albumtitel fühlt sich einfach gut an und passt gut dazu, wie das Album geschaffen wurde. In einer Band zu spielen kann oft Probleme und leere ungesunde Konversationen verursachen (schlimmstenfalls). Das soll nicht heißen, dass während des Schreibprozesses irgendwie ein schlechter Vibe vorherrschte, das nicht. Aber im Prinzip stellte dieses Album das Ergebnis eines unglaublich komplexen und anstrengenden Prozesses für uns alle dar. Deswegen: Presenting the Problem (Das Problem darlegen).


Das Album war für mich ein bisschen wie eine Reise. Besonders interessant war auch die Reihenfolge der Songs: Das Ganze geht ziemlich laut und kräftig los, schnell, und endet irgendwo ganz anders, auch kraftvoll, aber sanfter und sehr ausgefeilt. Mir gefiel das, ist mal was anderes. Ich wüsste gern, warum ihr nicht einen Dance Track ans Ende gepackt habt, ok Scherz, naja, sagen wir, etwas „mit mehr Pepp“.

Cato: Also wir haben wirklich viel Zeit damit verbracht, die Reihenfolge der Tracks festzulegen, damit eine Art Entwicklung im Sound entsteht, aber als ein fließendes durchgängiges Ganzes. Ich denke, wir haben mehr darauf geachtet, dass alles zusammenpasst, als dass das Album mit viel Schwung enden sollte. Ich finde es viel passender, einen langen, langsamen, epischen Track am Ende zu haben, als ein großes Finale.


Erzählt mal was zum Musikvideo von „Presenting the Problem”.

Cato: Eigentlich hatten wir ein anderes Video für den Track gefilmt. Unser Regisseur Marius Soma wollte dann nach Thailand, um eine Reality Show über Norwegische Full Contact Fighters zu filmen, und er wollte dann an unserem Video arbeiten, während er an dem anderen Projekt saß. Als er das in Angriff nahm, merkte er, dass er nicht genug Videomaterial hatte, also kam ihm die Idee, einen der Kämpfer in der Show, hier: Caroline Victoria Sand Karlsen, für die neue Videostory zu nehmen, die auf ihrer Situation an diesem Ort basiert. Wir fanden die Idee super und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.


Wie war es, mit Fredrik Saroea von Datarock zu arbeiten?

Cato: Fredrik ist ein alter Freund von uns, und nachdem wir „Scale of Values“ geschrieben hatten, fragten wir ihn einfach, ob er dem Track seine Stimme verleihen wollte. Im Grunde dachten wir, sein Stil passt wirklich gut zu dem Song. Er mochte den Vorschlag und wir hatten in zwanzig Minuten die ganzen Vocals im Kasten.


Ihr seid ja nun nur drei Leute in der Band, wie haltet ihr eure „Wall of Sound“ aufrecht, wenn ihr live auftretet?

Cato: Das war immer einer unserer Grundsätze, alles so gut beim Auftritt klingen zu lassen, wie wir es aufgenommen haben. Auch wenn wir nur zu dritt sind. Das hat uns nur mehr angespornt und uns konzentrierter gemacht. Jeden kleinen Fehler kann man bei einem Trio sofort hören. Wir sind dadurch also bessere Musiker geworden. Schaut euch eine Ribozyme-Show an und ihr werdet verstehen, was ich meine.





Wie sieht’s aus mit der Geschichte hinter dem Bandnamen? Findet ihr nicht, dass es ironisch ist, dass Ribozyme, also RNA-Moleküle, eine dreidimensionale Struktur haben, wo ihr doch eigentlich erst nach der Namenswahl und nur durch die Line-up-Veränderungen wirklich ein Trio geworden seid?

Bård: Ja, ist schon irgendwie ironisch, aber wir müssen zugeben, das war nicht Teil eines Masterplans. Wir wollten einen Namen, der auch visuell funktioniert, und „Ribozyme“ sah einfach gut aus, und da war auch eine klangliche Verbindung zu unserer Musik. Aber wir haben auf jeden Fall mehr über den biochemischen Aspekt des Namens mitbekommen, nachdem wir ihn gewählt hatten.


Wie sieht euer Schreibprozess aus, lyrisch und musikalisch? Wie teilt ihr euch die Arbeit ein?

Cato: Wir arbeiten so: Wir werfen unsere Ideen bei den Proben einfach in den Raum und arbeiten uns jammend bis zu einem fertigen Song durch. Jeder trägt was dazu bei und das ist wahrscheinlich auch eine unserer größten Stärken: dass wir alle drei zu gleichen Teilen ins Songwriting einbezogen sind. So bleiben wir nie bei einem bestimmten Sound oder Ausdruck hängen. Jeder von uns steuert auch unterschiedliche Einflüsse bei. Die Lyrics und der Gesang sind immer das Letzte, was geschrieben wird, das meiste davon kommt von Kjartan.


Erinnert ihr euch an euren ersten Gig als Ribozyme? Wie war das und wo habt ihr gespielt?

Bård: Zu Beginn hatten wir Bandproben in einem Jugendclub auf Askøy, außerhalb von Bergen, und unsere ersten paar Konzerte fanden dort statt. Zu der Zeit gab es viele Bands im Club, also kamen auch viele Leute zu den Shows. Das war toll, ein paar „Testläufe“ in einem Club zu machen, bevor es richtig mit Touren losging.


Was ist für euch das Schönste am Touren?

Cato: Das Beste ist natürlich, jeden Abend auf der Bühne zu sein und zu tun, was wir am liebsten mögen: Musik spielen. Und wenn man das mit dem Herumreisen verbindet und verschiedene Orte sieht, an denen man noch nie war, ist das fantastisch. Ich glaube, wir wurden „on the road” geboren.


Ihr seid musikalisch gesehen sehr vielseitig. Es ist unmöglich, euch in eine Schublade zu stecken (gut für euch)! Wie würdet ihr selbst euren Sound beschreiben, mit eigenen Worten?

Cato: Naja, wir haben uns nie lange mit Genres oder Subgenres aufgehalten. Wenn wir Musik schreiben, halten wir einfach fest, was in unseren Ohren gut klingt und denken nicht darüber nach, ob das nun direkt in das eine oder andere Genre passt. Uns interessiert das Erforschen von neuen musikalischen Territorien. Das macht uns eben als Band dreidimensional. Unser Bass ist eher rockig und heavy, aber wir mischen das gern mit anderen Elementen und Ausdrucksmöglichkeiten.


Ich habe von Vergleichen mit Tool, NIN, Filter, Audioslave und anderen Künstlern gelesen – unzählige Male. Sind solche Vergleiche für euch eher Kompliment oder Ärgernis?

Cato: Mit anderen, großen Bands verglichen zu werden, ist natürlich schon schmeichelhaft. Aber wir denken darüber nicht allzu oft nach. Wir kümmern uns mehr darum, unser eigenes Ding durchzuziehen – einfach als Ribozyme.


Wer spielte auf dem ersten Konzert, auf dem ihr wart?

Cato: Das war Guns N' Roses im Valle Hovin Stadium in Oslo, Norwegen '93. Ich war 15 und nach dem Konzert wollte ich unbedingt ein Instrument lernen und in einer Band spielen. Die Show hat mich so beeindruckt, ich werde bis zu meinem letzten Tag kein Detail vergessen!

Kjartan: Rage Against The Machine beim Quart Festival in Kristiansand, Norwegen '97. Da war ich 16 und ein Freund hat mich beim zweiten Song zum Crowdsurfen überredet. Krass war, wie sich Wahnsinn und Kameradschaftsgeist in der Menge gerade so die Balance halten konnten.

Bård: Machine Head beim Roskilde Festival, Dänemark 2000. Was für eine Band! Und die sind immer noch echt erfolgreich.


Und die erste CD, die ihr gekauft habt?

Cato: Roxette - "Look Sharp"
Kjartan: Megadance
Bård: MC Hammer – "U Can’t Touch This"


Ich hab gelesen, ihr seid ziemlich bekannt in Norwegen. Könnt ihr noch im Einkaufszentrum rumlaufen, ohne erkannt zu werden? Habt ihr überhaupt noch Zeit zum Shoppen?

Cato: Ha ha, naja, wir haben es noch nicht ganz bis zur Bodyguard-Stufe geschafft, aber unsere
Fangemeinde wächst jeden Tag, also wer weiß … Seit das neue Album rausgekommen ist, haben wir schon mehr Arbeit. Aber so gefällt uns das.


Was macht ihr so, wenn ihr nicht gerade komponiert, probt oder auftretet?

Cato: Keiner von uns hat wirklich andere Leidenschaften, die so groß sind wie die für Musik. Aber klar ist es nett, mal ab und zu 'ne Pause zu machen, nur um ein wenig zu entspannen und irgendwo im Urlaub in der Sonne zu aalen.


Ihr habt doch Tattoos, oder? Welche denn, und was bedeuten die?

Kjartan: Ich bin der Einzige mit Tattoos in der Band. Die haben nicht viel Bedeutung, außer dass sie einen sonst mittelmäßigen Untergrund ein bisschen verschönern. Der Stil ist sehr organisch und cartoonartig. Das Werk von Torkjell Rød von Audrey Horne (norwegische Band aus Bergen, deren Sänger sich auch als Tätowierer austobt - Anm. d. R.).


Was haltet ihr von der Musikindustrie heutzutage und wie sieht eure Meinung zu illegalen Musikdownloads aus – oder YouTube, z.B. Seht ihr in solchen Entwicklungen eher eine radikale Kürzung des Musikereinkommens oder neue Möglichkeiten, die eigene Musik und einen Namen zu verbreiten?

Cato: Das ist wirklich 'ne komplizierte Sache. Da gibt es Dinge, die man dafür- oder dagegenhalten kann. Ich denke, dass illegale Downloads auf jeden Fall das Einkommen von Musikern kürzen, aber auf der anderen Seite ist es nun sehr viel einfacher, seine Musik vorzustellen und an den Mann zu bringen, besonders für neue Bands. Zudem sind die nun nicht mehr so abhängig von den Musiklabels wie noch vor 15 oder 20 Jahren, und das ist gut so. Aber klar, dafür ist es wieder schwerer, Tonträger zu verkaufen und von dem Geld zu leben. Was YouTube angeht, das halte ich für sehr gut, um Musik und Videos unter die Leute zu bringen.


Auf dem ‘Sexy’ Blog von NRK P3 (norwegischer Radiosender – Anm. d. R.) wurdet ihr als die Nummer 4 aus den Top 5 der am stärksten unterbewerteten norwegischen Künstler genannt. Ist das gut oder schlecht? Was sagt ihr dazu?

Cato: Das muss gut sein! Wir sind nicht wirklich eine Mainstream-Band und wenn eine Radioshow des größten Radiosenders des Landes so was sagt, wissen wir das sehr zu schätzen.


Was kommt für euch als Nächstes? Kommt ihr bald auf Europatour (außerhalb von Norwegen)?

Cato: Es stehen noch ein paar Dates unserer Norwegen-Tour aus. Wir spielen diesen Sommer auch bei ein paar Festivals und wir arbeiten auch auf eine Europatour im Herbst hin. Bei Interesse gern unter www.facebook.com/ribozyme nach Updates zur Tour schauen.

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt!

Danke!