Drei Jahre ist es her, seit Christof Kather aufgrund von Einsamkeit und Tollwut das Projekt Fake Idyll ins Leben gerufen hat. Damals dachten alle natürlich, dass es ein Schnellschuss ist, waren aber überrascht, wer sich alles für das Debüt "Therapist" verpflichten lassen konnte. Nun, anno 2014, legt die Band ihr zweites Album vor und lässt damit ordentlich einen blicken. Wir sind Cheftrommler Christof Kather mal an die Brust gegangen, um einige Antworten auf unsere Fragen zu bekommen.
Moin Christof! Ich hoffe du bist fit für ein paar delikate Fragen zum neuen Fake Idyll-Release. Was gibt es eigentlich im unundeux-Hauptquartier zum Frühstück? Bier, Kaffe oder White Russian?
Viel zu weiche Eier. Dafür aber frisch gemahlenen Kaffee mit aufgeschäumter Biomilch von handbesamten, in engsten Melkboxen ihr Leben fristenden Glückskühen.
Kather, Benninghof, Nowak und Neumann - Hängen bei unundeux eigentlich alle alten JaKa-Mitspieler [Anm. d. Red.: Japanische Kampfhörspiele] rum und warten nur darauf, dass es mal wieder etwas Arbeit gibt? Oder wie habt ihr euch für die neue Fake Idyll-Platte zusammengefunden?
Christian Neumann war ja nie bei JaKa. Der war bei Jack Slater. Der Benninghoff ist unser neuer Produzent. Er war als ausgebildeter Filmkomponist auf "Therapist" (dem Fake Idyll-Debüt) schon für die Orchestra-Tunes zuständig. Jetzt haben wir ihn mal mixen und mastern lassen. Das war totales Neuland für ihn. Es hat sich aber gezeigt, dass er das spontan besser konnte als manch Alteingesessener. Er verfügt wahrscheinlich einfach über die nötige Intuition.
Für dieses Album war er jedenfalls genau der Richtige. Gerade mischt er das bald erscheinende Reunionalbum von JaKa, ist also inzwischen fester Mitarbeiter bei JaKa/unundeux. Mit einem guten und festen Team zu arbeiten ist das Beste, was man machen kann. Leute, die viel Feuer und Idealismus und entsprechend Zeit mitbringen, sind wichtig. Gerade, wenn es um wenig Geld geht! Zusammen an etwas zu arbeiten, was alle erfüllt, das ist doch viel besser als einfach nur erledigen und Geld dafür bezahlen. Arbeitsqualität geht vor Verdienst! Deswegen sind bei unundeux auch alle so ausgeglichen.
Keine Ahnung, ob dies nun deine Frage beantwortet...
Ach so: Zusammengefunden haben wir uns für die neue Fake Idyll ja nicht neu. Die Bandmitglieder sind schon dieselben wie die auf dem Debüt. Nur, dass halt die 20 Vokalisten fehlen.
Musikalisch ist ja auf "Genome of Terror" alles vertreten, was irgendwie an Metal partizipiert. Sind die Songs völlig willkürlich entstanden oder gab es einen grundlegenden Plan, was auf der zweiten Fake Idyll-Platte geschehen soll?
Fake Idyll-Platten enstehen immer wie folgt: Zunächst werden Drums aufgenommen. Vollkommen planlos, einfach drauf los, wohl aber zu verschiedenen Klickgeschwindigkeiten. Die besten Parts werden dann zusammengeschnitten, der größte Teil fliegt raus. Dann geht der Stoff zu Robert [Nowak], der dann ebenfalls drauf los irgendwelche Riffs darüber legt, wie sie ihm gerade in den Sinn kommen.
Wenn das erledigt ist, wird erneut zusammengedampft. Es wird neu arrangiert, Parts fliegen raus oder werden zum Teil einfach frech geloopt. Auch kommt es vor, dass Riffs über Beats ausprobiert werden, über die sie ursprünglich gar nicht gespielt worden sind. Oder man versetzt ein Riff mal um eine viertel oder halbe Note. Dadurch entstehen auch neue Ideen, auf die man im Kopf gar nicht gekommen wäre.
Bei all diesen Eingriffen wird stets drauf geachtet, dass alles organisch klingt. Dabei hilft aber auch der Bass, der am Ende nochmal über alles Entstandene drüberblubbert. Nun kann es noch passieren, dass man mal Gitarren und Bass stehen läßt und das darunterliegende Schlagzeug einfach wegschneidet. Im Grunde werden bei Fake Idyll allermodernste technische Mittel, die eigentlich ersonnen wurden, um Musik steifer und genauer produzieren zu können, ohne dass die Musiker zuvor das, was sie sich ausgedacht haben, üben müssen, kreativ eingesetzt. Natürlich gibt es auch heute noch ehrliche Musiker, die viel üben und ihre Ergüsse auch aufschreiben, ganz so, wie sie es auf ihren Konservatorien gelernt haben, bevor ein Zappa sie dann als seine Tools von dort wegengagiert. Fake Idyll funktionieren aber eben ganz anders.
Dass ein Herr Nowak dann vielleicht Black Metal-Riffs oder knallharte Polka-Tunes über dein Geblaste schmiert, ist dir zu anfangs also völlig unbekannt? Apropos Frank Zappa: der Mann spielte damals ja auch gern mal live, weil er eben wusste, wann was kommen muss. Kann man bei Fake Idyll demnach gar nicht live spielen, wenn man es nicht im Nachgang monatelang versucht selbst zu begreifen?
Bei Frank Zappa wurde live auch viel improvisiert. Fake Idyll könnten ihre zufällig entstandenen Stücke natürlich schon spielen. Wobei...
Jedenfalls, ja, ich wußte tatsächlich nicht, was Robert so machen würde. Er wusste es ja selber nicht.
Live improvisieren wäre also auch für euch eine Möglichkeit. Wie wäre es denn mit einem live gespielten, neu geschnittenen Zufallsalbum? Bist du eigentlich selbst manchmal überrascht, was für Songs bei euch entstehen und welche Genres du mit deinem Schlagzeugspiel eigentlich bedienen kannst?
Fake Idyll spielen nicht live. Wir sind ja nicht verrückt! Robert und ich sind in nächster Zeit auch mit JaKa wieder voll ausgelastet. Überrascht bin ich immer wieder. Ich lege es ja aber auch darauf an, dass es im Grunde fortwährend zu Überraschungen kommt. Die JaKasche Arbeitsweise ist der Fake Idyllschen ganz ähnlich, wenn auch mit etwas mehr Hand und Fuß.
Wo wir schon bei Überraschungen sind. "Genome of Terror" hat natürlich seine albernen Momente und lustigen Geräusche, ist grundsätzlich aber deutlich ernster geworden, als ich es je erwartet hätte. War der Anspruch, dass die Songs letztendlich nicht nur ein Witz, sondern hörbar sind? Und inwiefern trug die Entscheidung keinen Gesang zu verwenden, mit dazu bei?
Dass kein Gesang aufs Album kommt, hat sich ebenfalls so ergeben. Und zwar hat Lenzig [Anm. d. Red.: Leonard "Lenzig" Leal von Cephalic Carnage] es einfach nicht geschafft, welchen aufzunehmen. Geplant gewesen waren Vocals also ursprünglich schon. Nur hat der faule Hund es in zwei Jahren nicht geschafft, mehr als die Spuren zu elf kurzen Stücken rüberzuschicken. Da dies ausgerechnet die Stücke waren, die sowieso nicht so gut gelungen und deswegen schon früh rausgeflogen waren, haben wir irgendwann entschieden, das Album intrumental zu veröffentlichen. Elektrokill hat also in die Sampleskiste gegriffen, um den wenigen Stellen, die eindeutig nach Strophen rochen, alternatives Leben einzuhauchen. Klar fanden sich dort auch ein paar alberne Sounds wie z.B. Rülpsen und Furzen. Na ja, Elektrokill halt. Wir haben ihn gelassen. Waren froh, dass er das überhaupt gemacht hat für so eine kleine Band wie Fake Idyll.
Elektrokill ranzubekommen war sicher schwierig und hat einiges an Geld gekostet, oder?
Geld haben wir ja keins. Ruhm ist ebenfalls nur in beschränktem Maße vorhanden. Jedenfalls nur in einem für Leute wie Elektrokill lachhaft kleinem.
Denkst du, dass es für euch schwer ist, eine ernste Platte zu vermarkten, weil viele Leute vermutlich schon im Vorhinein davon ausgehen, dass Namen wie Kather, Hoff, Nicodem oder Nowak irgendwo immer auch für Klamauk, Ironie und Spaß stehen?
Du meinst, weil der Nicodem jetzt bei der Karnevalsband Onkel Tom mitmacht? Was haben denn wir anderen damit zu tun? Kather, Hoff und besonders Nowak stehen nach wie vor für ultraseriösen Metal mit Message, die weh tut.
Hört man "Genome of Terror" eine Weile, gibt es, um ehrlich zu sein, schon einige Songs, wo sich Gesang sicherlich gut machen würde. So hat man als Hörer aber wenigstens die Möglichkeit, seinen ganz eigenen Gesang aufzunehmen oder unter der Dusche mitzusingen. Das wäre doch ein guter Wettbewerb!
Auf "Therapist" fehlte kein Gesang, bis er aufgenommen wurde. Auch "Therapist" hätte instrumental funktioniert. Ehrlich gesagt hatte ich mir darauf Gesang - bis er dann eben realisiert wurde - gar nicht vostellen können. Auf "Genome of Terror" finde ich von daher nicht, dass Gesang fehlt, lasse mich aber gerne auch hier überraschen. Wer also Lust hat, kann gerne Gesang aufnehmen und uns seine Resultate schicken. Wie immer an info@unundeux.de
Da ja ohne Gesang auch die kritische Ebene der Texte wegfällt, lastet nun jeglicher Bedeutungsdruck auf den Songtiteln. Sind die auch nur ausgewürfelt worden?
Die Songtitel wurden in Zusammenarbeit mit der University of Southern Denmark zusammengewürfelt. Dort lief unter der Leitung von Dr. Thomas Ottersen gerade ein Projekt, welches das Zombietum der modernen Arbeitswelt untersucht, oder so. Passte dann irgendwie.
Also die blanke Willkür! Neben der Musik ist auch euer Cover ganz schön, wenngleich ich nicht weiß, ob es ein Äffchen oder ein Totenkopf ist. Wer ist denn dieser Hacker Frosh Tit, der dafür verantwortlich war und wie seid ihr an ihn herangekommen?
Der hat mal bei Anagram gespielt. Kennst du vielleicht noch. Das Cover ist super, ja. Genau genommen handelt es sich um ein sogenanntes Totenkopfäffchen. Die Parallele zu Büro- und Zombiewelt drängt sich einem hier zwar ganz und gar nicht auf, wir fanden die Farben aber ansprechend. Also haben wir es genommen, ä, genom...
Anagram ist die Tochterband von Pentagram, oder?
Schwesterband.
Und warum die Farben? Rot, Gelb? Atomkraft? Ihr habt auch das Atomkraft-Symbol als CD-Aufdruck. Seid ihr Freunde des erquicklichen Atomstroms oder ist das eine Anspielung darauf, dass man beim Genuss von zu großen Mengen Atomstrom ganz rot und gelb wird und abgedrehte Musik produziert? Greenpeace wird das gar nicht freuen, wo ihr euch doch als erstklassiges Bio-Label verkauft!
Greenpeace benutzen selber Atomstrom und Foodwatch essen auch Fertigpizzen mit Salami. Und UNICEF spenden gar nicht in die Dritte Welt. Hab ich jedenfalls mal gelesen. Und Obama ist gar kein neuer Hitler!
Es wird ja sowieso nur noch gelogen! Sind unundeux demnach doch gierige Großkapitalisten, die im Hintergrund die Fäden für Justin Bieber und die verrückte Österreicherin aus dem Dschungelcamp ziehen?
Justin Bieber ist der Blendihamster, richtig? Dschungelcamp gucke ich nicht mehr, seit mein Lieblingscomedian Dirk Bach gegen diese schwule Fresse mit der zu großen Nase und den zu offensichtlich, absichtlich verwuschelten Haaren ersetzt wurde. Der Typ nervt mich total! Und Sonja Zietlow hat gar keinen Pilotenschein! Kriegt man nämlich nicht mit dermaßen eng zusammenstehenden Augen, weil man damit gar nicht 3D gucken kann.
Wenn das so ist, ist ja alles gut. Wie kalkuliert ihr eigentlich ein neues Album oder ein neues Projekt. Wartet ihr, bis ein bisschen Kohle da ist und legt los, oder geht ihr vorher davon aus, dass ihr eine bestimmte Menge Platten verscherbeln werdet?
Erich Kästner hat ja gesagt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Diesen Spruch befolgen wir. In die Kasse gucken wir selten. Wir haben zwischen 100 und 500 Fans, die uns vollends vertrauen und immer am Start sind, wenn wir unsere als humanitäre Einsätze getarnten Fundraising Aktionen starten.
Und das alles ohne Facebook, Google+ und Playboy! Denk ihr nicht manchmal, dass sich der ganze Kram besser verkaufen würde, wenn die schöne pseudo-soziale Netzverbindungsgesellschaft eingebunden werden würde? Heutzutage gilt ein Musiker doch nur als erfolgreich, wenn er mindestens 500.000 Klicks, Likes oder Anklagen sammelt.
Wir haben gerade erst wieder 500 Klicks eingekauft bei einer Bangladesher Klickfarm. Wir zeigen die Klicks aber nirgendwo, sondern behalten die schön für uns.
Zurück zur Platte: Zwanzig Songs sind ja ziemlich mächtig, wie viel Ausschuss ist denn bei einer Fake Idyll-Platte dabei? Reicht es gleich für die nächste?
Alles zusammen genommen, also mit dem Abfall, der sich schon nach den ersten Schlagzeugaufnahmen anhäuft, wahrscheinlich für zwei. Also wenn man die Masse, sprich die reine Spielzeit zählt, die da im Verlauf des Gesamtprozesses weggeworfen wird. Aber Masse ist ja nicht Klasse. Masse ist Facebook. Und Klasse ist unundeux. Deswegen lassen wir da auch nur ganz außerwählte Friends mitmachen und haben selbst auch kein Interesse an Massenvergewaltigungen.
Du persönlich machst ja noch viele Nebenprojekte wie JaKa oder Das Oldschoolformat der Zukunft. Wie aktiv sind denn deine idyllischen Mitstreiter nebenher?
Bei Christian weiß ich gar nicht, was der noch alles macht. Robert macht noch seine Phobiatic und ist ja eben auch wieder bei JaKa mit dabei. Dann spielt er noch immer mal wieder in seiner alten Schulband Unchallanged Hate.
Kommen wir zum Ende und gehen nochmal in die grausame Privatsphäre hinein, die alle so krampfhaft vor Herrn Süßstoffgebirge zu schützen versuchen. Dass du starker Rummelsnuff-Freund bist wissen wir, aber was hört ein Herr Kather noch so?
Zur Zeit leider nur JaKA, JaKa, JaKa. Eine Platte ist zwar schnell zusammengewichst, was das Songwriting angeht. Bis man die Scheiße aber so ausproduziert hat, dass nicht sofort auffällt, wie einfach man es sich mal wieder gemacht hat mit dem Schreiben der Stücke, muss man sie dann doch immer und immer wieder hören. Wenn das vorbei ist, höre ich erstmal eine Zeit lang wieder gar keinen Metal, sondern nur französische und italienische Chansons. Rummelsnuff ist mir eigentlich zu derb. Den finde ich eher als Erscheinung gut. Wie die JaKa im Grunde auch.
Schaut man bei Fake Idyll trotz omnipräsenter Hitler-Dokus und feinstem Trash-TV à la Dschungelcamp auch Fernsehen? Oder ist das gerade der Stoff aus dem eure Inspriration kommt?
Ich glaube nicht. Robert guckt kein fern. Der hat nämlich gar keinen Fernseher. Ich habe zwar einen, auf dem läuft aber nur KIKA. Was ich mir aber vorstellen kann ist, dass die Fake Idyll sich super als Soundtrack eignet, wenn man den Ton des Fernsehgerätes abstellt. Nicht nur unter den Bildern, die du eben genannt hast.
Ich möchte mich bedanken für das Gespräch, wünsche alles Beste für die Zukunft und würde dich zum Abschluss noch bitten, dein Lieblingstier in einer Bunstift-Skizze zu schicken! Ahoi!
Nichts leichter als das. Hier hast du gleich eine ganze Auswahl.