Freunde der alten, harten Schule haben in Leipzig eigentlich keine Probleme, passende Konzerte zu finden. Tatsächlich ist es in ganz Sachsen kein Problem, die neuesten Entwicklungen in Sachen Old School Thrash, Death oder Retro allgemein zu verfolgen. Doch was macht der musikalisch gebildete Hipster, der sich gerne progressivem Post Rock hingibt, aber auch gut produziertem Black Metal nicht abgeneigt ist? Das Conne Island bot an diesem Abend mit der Hauptattraktion Der Weg einer Freiheit die passende Antwort, also schnell die Röhrenjeans angezogen, die Nerdbrille auf die Nase gesetzt, ’nen Club Mate an den Hals und auf dem Fixie in den Leipziger Süden geradelt.
Lentic Waters
Lentic Waters
Was als Ironie geplant ist, entpuppt sich leider oft genug als Realität und da natürlich niemand pünktlich sein will, dauerte es nach dem Einlass noch über eine Stunde, bis die kleine Bühne voll genug ist und sich Lentic Waters auf die Bühne begeben. Das „stehende Gewässer“ bot einen interessanten Mix aus ruhigen, postrockigen Passagen und wütenden, Schlagzeug-getriebenen Moshparts, garniert mit schön verzweifelten Screams. Auch wenn das Schlagzeug im Mix etwas dominant war und ich mir in den ruhigen Parts noch einen Tick mehr psychedelisches Geraffel gewünscht hätte, bot das Do-It-Yourself-Quintett einen überraschend starken Auftakt.
DeZafra Ridge
DeZafra Ridge
DeZafra Ridge waren ein ganz anderes Kaliber. Irgendwo zwischen Doom, Sludge und einer Prise Melodie bolzten sich die Leipziger unbarmherzig durch ihr Set. War das Licht schon bei Lentic Waters für Fotografen schlicht beschissen, wurde es nun noch minimalistischer. Vier weiße Notleuchten lieferten das einzige Licht und beleuchteten mehr das Publikum als die Band. Dagegen sah der Merchandise-Stand aus wie ein Weihnachtsbaum. Dort gab es übrigens edle Tapes von DeZafra Ridge zu erwerben. Für jene, denen Schallplatten schon wieder zu trendy sind. Doch zurück zur Musik: Leider war das gebotene nicht immer ganz sauber, in den besten Momenten gingen die richtig harten Doom-Riffs aber sofort in Mark und Bein. Ebenso wie Lentic Waters sollten man die Jungs im Auge behalten.
June Paik
June Paik, benannt nach dem gleichnamigen Medienkünstler (?) wollten sich da natürlich nicht lumpen lassen und boten einen Musikstil, der so tot ist, dass er wahrscheinlich schon wieder als hip gilt: Screamo. Irgendwo zwischen Envy und Orchid pendelten June Paik immer zwischen Chaos-Geschrubbe und einfühlsamen Postgeklampfe. Kann man machen und June Paik zählen vielleicht zu den besseren Vertreten dieses Genre, ich persönlich habe Screamo aber nicht vermisst und auch die Münchener werden daran nichts ändern.
Der Weg einer Freiheit
Es muss so kurz nach null Uhr gewesen sein, als Der Weg einer Freiheit schließlich den Schlusspunkt setzen sollten. Bis auf Sänger Tobias wirkten zwar alle nicht so arg motiviert, aber ein bisschen Black Metal Attitüde muss ja auch sein, selbst wenn man im Cannibal Corpse, Death und Dissection-Shirt spielt. Musikalisch erwartete den vollen Saal eine Mischung der letzten beiden Veröffentlichungen, also Klassiker wie „Neubeginn“, „Der Stille Fluss“ oder „Ingrimm“. Netterweise gewährten die Würzburger auch Einblick in das im Juni kommende Album und spielten mit „Lichtmensch“ einen neuen Song, der sich gut in die Playliste einfügte, aber etwas progressiver als das übrige Material wirkte. Mal sehen, ob ganze Album diese Richtung nehmen wird.
Am Sound gab es wenig zu meckern, die Gitarren waren zwar nicht gleichlaut, wirkten aber gut differenziert und im Vergleich zum Schlagzeug manchmal schon fast zu dominant. Auch der Bass war - ein echtes Unding im Metal - sehr differenziert zu hören. Bis auf einen Song, den der Gute mit der Suche nach einem neuen Gitarrengurt verbringen musste. Ansonsten gab es praktisch nichts negativ zu bemerken. Gut, das Spiel mit der erwartbaren Zugabe zog sich etwas hin und zwischenzeitlich sah es so aus, als gäbe es den letzten Song gar nicht mehr zu hören. Nachdem schon ein paar Leute gegangen waren (schließlich war es bereits halb 2), ließen sich Der Weg einer Freiheit dann aber doch noch hinreißen und spielten passender Weise „Zum Abschied“.
Der Weg einer Freiheit
Feuertonne
Der Abend war schließlich ein gelungener. Der Weg einer Freiheit könnten praktisch mit jeder Band auftreten und zeigten eindrucksvoll, dass sie definitiv zu den besten deutschen Black Metal Bands gehören, auch wenn das Fans von Haradwaith und Darkened Nocturn Slaughtercult sicher abstreiten würden. Dafür muss man bei den Münchenern in der ersten Reihen keine Angst haben, bespuckt oder mit Blut besudelt zu werden, bekommt glasklaren Sound und ausgefeilte Riffs geboten. Als hipper Black Metaller von heute ziehe ich das jederzeit irgendwelchem billigen Showgehabe vor.