Tilburg ist eine Gemeinde in den Niederlanden mit 200.000 Einwohnern und in der Szene sicher für das Roadburn Festival bekannt. Außerdem liegt es im Norden der Provinz Brabant und damit nur wenige Kilometer von dem holländischen Dorf entfernt, welches es dank der Serie “New Kids” zu zweifelhaftem Ruhm gebracht hat. Als intellektuelle Kunstkenner ließen wir uns die Gelegenheit natürlich nicht entgehen und begannen unser romantisches Wochenende in Holland mit Sightseeing in Maaskantje. Doch schon von Weitem war das Incubate Festival zu spüren, denn plötzlich empfing man einen extra für diese Woche eingerichteten Radiosender, der selbst vor den Black Metal Bands nicht zurückschreckte, deren Logos man auf hiesigen Festivals abkleben muss.

Angekommen in Tilburg war das Incubate an jeder Ecke bereits zu spüren. Zum Glück hatte man sich vorher schon einen groben Plan gemacht, denn bei über 300 kulturellen Highlights in der Stadt konnte man schnell den Überblick verlieren. Natürlich standen auf unserer Liste die meisten metallischen Darbietungen, darüber hinaus galt es aber vom Songwriting über Avantgarde-Pop bis hin zu Acid House, auch anderen musikalischen Vorlieben nachzugehen.
[Fur]



013 Tilburg


Freitag

Venena
Venena

Ach du Scheiße, ist das voll. Iron Witch hatten die große Ehre, an diesem verheißungsvollen Freitag den Opener zu mimen und bekamen dafür die Stage 001 im Tilburger 013 zugesprochen. Verwirrend? Ja, definitiv, denn wenn man das erste Mal dieses Theater betritt, weiß man nicht so richtig, wo man hin soll, denn alle Räume sind irgendwie miteinander verbunden und man kommt auf den abstrusesten Wegen von einem Saal in den nächsten. Als man es endlich geschafft hatte, war man etwas eingeengt und beinahe schon klaustrophobisch, da die erste Band an diesem Tag alle, aber auch wirklich alle sehen wollten. Blöd nur, dass dafür eigentlich kein Platz und nach gut zehn Minuten auch kaum noch Luft war.
Iron Witch machten sich nicht viel daraus und fingen pünktlich und gut gelaunt an, ihren britischen Sludge Doom zu kredenzen. Viel Bass, rotzige Melodien und schön laut - so kennt man Sludge Doom und die Jungs wussten definitiv, wie man ihn spielt. Keine Offenbarung, aber ein würdiger Einstieg. [Win]

Serpent Noir
Serpent Noir

Persönlich hatte ich keine richtige Vorstellung, was mich bei den Griechen Serpent Noir erwarten würde, denn mit Black Metal ist nicht gerade viel gesagt. Schon gar nicht, wenn er aus Südeuropa kommt. Da kann von symphonischen Keyboard-Attacken über beinahe sludgigen Black-Thrash hin zu räudig-kaltem Geballer mit rituellem Touch alles dabei sein. Serpent Noir gehören eher zu Letzterem, was bei Ofermod-Drummer Michayah Belfagor nicht allzu verwunderlich ist. Dem Schweden juckt es doch immer in den Fingern, wenn es irgendwo was zu ballern gibt. Mit Kutte und Corpsepaint lieferten die Jungs an diesem Abend ein ziemlich wuchtiges Set ab und beschwörten somit schon mal die richtige Stimmung für den anstehenden Black Metal-Marathon herauf. [Win]



Khold


Khold durften als erste zeigen, wie wahnwitzig gut der Sound im großen Saal des 013 sein kann und wie eine moderne Lichtshow auszusehen hat. Die Norweger machen sich ziemlich rar, was Auftritte oder Interviews angeht. Umso erstaunlicher, dass sie das Incubate für einen ihrer seltenen Auftritte erwählt haben. Ihr depressiver Black Metal mit norwegischen Texten gehört nicht gerade zur leicht verdaulichen Kost und dazu kommen Khold eigentlich nie aus dem Midtempo heraus. Fast schon schade, denn die Songs an sich sind häufig gespickt mit klasse Riffs. Auf Dauer nutzt sich das aber leider doch recht schnell ab. [Fur]

Heirs
Heirs

Keine Ahnung, was mich geritten hat, diesen Fehler noch einmal zu machen. Vielleicht das generell freundliche Umfeld in Holland, das einen recht schnell zu einem optimistischen Bastard macht, der kaum Vorurteile gegen irgendetwas hegt. Bei Heirs wäre es aber definitiv besser gewesen, die begründeten Zweifel an ihrer Performance als ein Argument gegen einen Besuch bei den Australier zu verwenden. Waren die Kerle damals auf dem Doom Over Leipzig schon absolut enttäuschend, setzten sie dem Ganzen in Tilburg die Krone auf. Heirs präsentierten sich nur noch als zwei Leute, von denen keiner Bass oder Gitarre spielen konnte und die gerade einmal halbgar um die Funktionen eines Loop-Gerätes bescheid wussten. Schlichtweg erbärmlich, wenn man sich den Kontrast zwischen Album und Live-Konzert anschaut. Kaum zu fassen, dass die nochmal schlechter geworden sind. “I don’t want to be friends with you, please stop playing your odd bullshit.” [Win]

Gehenna
Gehenna

Es war schon im Vorhinein klar, dass Kollege Win sich mal wieder tierisch über die Australier aufregen würde, und so fielen auf dem Weg vom kleinen Club Extase einige unschöne Wörter, unter anderem auch das F-Wort! Ja, Kollege Win fand, dass sich Heirs wie echte Franzosen aufgeführt hatten! Bevor die Diskussion jedoch eskalieren konnte, war man auch schon wieder vor dem “013” angekommen, in dem die Norweger Gehenna ihre Düsterkeit unter Beweis stellten. Die Norweger sind seit 1993 in der Szene unterwegs, gehören aber nicht gerade zu den Bands, die einem sofort in den Sinn kommen, wenn man an den klassischen norwegischen Black Metal denkt. Dafür haben die Jungs um Frontmann Sanrabb wohl in ihrer Bandgeschichte zu viel rumexperimentiert. Heute präsentierte man ein strimmiges Black/Death-Brett, dass immer wieder zwischen langsamen, doomigen und rasenden Passagen wechselte. Definitiv einen zweiten Blick wert. [Fur]

Zwischen Gehenna und Mayhem sollte es eine kleine Pause geben, die zur Nahrungsaufnahme genutzt werden konnte. Es gab zwar auch innerhalb des 013 diverse Köstlichkeiten zu erwerben, aber wenn das 0,5er-Bier schon zwei Chips, also 5,00 € kostet, dann will ich nicht wissen, was man dort für ein frisch belegtes Brötchen berappt hätte. Außerdem trieb es uns sowieso in die Stadt, denn bei Nacht ist diese noch viel sehenswerter. Beinahe wie das Leipziger Barfußgässchen, nur eben über die komplette Innenstadt verteilt. Bewegte man sich etwas an die zentrale Peripherie, konnte man dann auch Lokale finden, die gängige Preise für schnelles Essen verlangten und so landete man schließlich bei einem Döner-Imbiss, der uns Cheesburger im Stockbrood zubereitete. Bei den Holländern ist eben alles anders, denn im weiteren Verlauf des Festivals sollte es auch noch Döner im Burgerbrötchen und Bürger mit Namen “Beton” geben. Auch das Essen scheint hier Kunst zu sein und wenn nicht gerade Kunst, dann doch wenigstens kreativ. [Win]



Mayhem


Der Name Mayhem ist für den Ur-Leipziger auf ewig mit ihrem “Live in Leipzig”-Album verknüpft und bemerkenswerter Weise spielen die Norweger 20 Jahre später live immer noch fast die gleichen Songs. Los ging es mit “Pagan Fears” und vom Fotograben aus konnte man jedes Detail des wirklich liebevollen Bühnendesigns auf sich wirken lassen. Da ein paar ausgestopfte Raben, dort ein Schweinekopf und natürlich jede Menge umgedrehter Kreuze - fertig ist die schwarze Messe.

Mayhem
Mayhem

Frontmann Attila gab passend dazu den bösen Papst und posierte mal mit Totenkopf und mal mit Galgen. Insgesamt stand deutlich das Theater im Mittelpunkt. Weitere Klassiker wie “Deathcrush”, “Carnage” und “Freezing Moon” wurden natürlich gespielt, wirkten aber mehr wie eine Pflichtübung, statt echte Highlights. Zwischendurch gab es auch noch technische Probleme, die Necrobutcher mit äußerst merkwürdigen Bassinterludes und unverständlichen Ansagen zu überbrücken versuchte. Die beiden kahlen Gitarristen an den Außenseiten hielten sich bei alledem zurück und wirkten eher wie angeheuerte Idioten (nach Hunter S. Thompson) als richtige Mitglieder der Band. Letzlich lieferten Mayhem großes Black Metal Theater, blieben aber musikalisch erstaunlich blass. [Fur]



Immortal


Eigentlich im selben Genre angesiedelt, hätte der Kontrast zu Immortal kaum größer sein können. Abbath ist ja einigermaßen stolz, dass er sich aus den ganzen Scherereien der 90er rausgehalten und sich stattdessen auf die Musik konzentriert hat. An diesem Abend lässt das Trio keinen Zweifel daran, wem die Black Metal Krone gehört. Unglaublich schnell und präzise (wenn man von den Gitarrensoli absieht, die Abbath eigentlich schon immer einfach hinrotzt) ballerten sie sich durch ein Set voller Klassiker. Schon das einen Zacken schneller gespielte “Sons of Northern Darkness” als Intro ließ keinen Zweifel, dass Horgh heute jedes Stück etwas schneller angehen wollte.

Immortal
Immortal

Wer Immortal schon einmal gesehen hat, weiß eigentlich, was er zu erwarten hat, heute drehten die Jungs aber noch mal besonders auf und verwandelten das 013 in eine karge Eislandschaft voll epischer Kälte. Dementsprechend minimalistisch fiel auch die Lichtshow im Vergleich zu den anderen Bands aus. Hier gab es eigentlich nur weißes Licht zu bestaunen. Und Nebel. Soviel Nebel, dass die Organisatoren zwischendurch immer wieder die Lüftung der Halle starteten, um wenigstens für etwas Sicht zu sorgen. Sonst hätte man wohl auch die Pyro verpasst, an der sich Abbath mal wieder tatkräftig beteiligte. Man kann von Immortal halten, was man will, aber diese drei Typen waren an diesem Tag ganz klar die Black Metal Gewinner. [Fur]

Behexen
Behexen

Behexen sind eine ordentliche Truppe und unter anderen Umständen wäre man sicher auch absolut dabei gewesen, wenn die Finnen ihren blutrünstigen Black Metal abfeuern, doch nach Khold, Mayhem und der absolut wahnwitzigen Show von Immortal war man irgendwie satt und nicht mehr aufnahmefähig. Dennoch muss gesagt werden, dass Behexen ein fettes Brett abgefeuert haben und dabei immer schön reudig und aggressiv klangen. Das nächste Mal vielleicht ohne 4-Stündigen Black Metal-Vorlauf. [Win]



Sonne Adam


Wie hatte man sich auf Sonne Adam gefreut. Endlich mal Death Metal an diesem Tag und dann auch noch diese erlesene Köstlichkeit aus Israel. “Transformation” hat mich noch immer voll im Griff und jeder Song davon ist eine wahre Perle. Keine Frage, dass davon auch der ein oder andere Song kommen musste. Die Jungs setzten aber auch auf ältere Pferde, denn erst kürzlich erschien ihre EP-Sammlung als Re-Release und die geht live ordentlich auf die Zwölf. Deutlich schneller, als man es gewohnt ist, schoss das Quartett eine fette Death-Salve nach der anderen ab und hatte dabei erfreulicherweise richtig guten Sound, der mächtig auf die Brust drückte. Die Setlist enthielt dabei Titel wie “The Day”, “I Sing His Words”, “Take Me Back”, “Armed”, “Hater of Mankind”, “Bestow”, “Shine”, “Sonne Adam” und zum krönenden Abschluss das allseits beliebte “We Who Worship The Black”. Für mich hätten die Jungs gern noch eine halbe Stunde länger spielen können - Ein absoluter Traum. [Win]



Zeltplatz


Sonne Adam hatten diesem Tag die Krone aufgesetzt. Besser konnte es nicht enden und mit freudiger Stimmung und “We Who Worship The Black” im Kopf konnte nun friedlich gen Zeltplatz geradelt werden. Auch jetzt war der Weg dahin noch nicht ganz sicher und am Ende fuhr man einen kleinen Umweg. Dass man sich vor der Polizei indes nicht fürchten musste, weil man vielleicht ein Bier getrunken und auch kein Licht am Fahrrad hatte, erkannte man schnell. Holland ist auf Fahrräder ausgelegt und sobald man auf einem sitzt, hat man Narrenfreiheit. Vor uns fuhr ein Dreiergespann, vollstraff, auf einem Damenrad an der Polizei vorbei. Sie würdigten dieses Schauspiel keines Blickes. Wir fuhren weiter unsere aus Selbstverschulden viel zu lange Strecke bis zum Zelt, doch selbst das ist bei dieser überaus schönen Stadt nicht weiter schlimm und so gab es bei guter Stimmung am feierlich beleuchteten Zeltplatz noch das ein oder andere Bier. Es versprach jetzt schon, ein großartiges Wochenende zu werden. [Win]


Samstag

Hilfe, so lange hatte man auf einem Festival wohl noch nie geschlafen. 11:30 Uhr war es letztendlich, als man den Reißverschluss der Zeltkabine aufbekam und in den diesig-kühlen Vormittag starrte. Der nun vergangene Freitag schien die Marschrichtung für die kommenden Tage festgelegt zu haben und vor 5:00 Uhr würde man wohl auch im weiteren Festivalverlauf nicht ins Bett kommen. Dafür gab es leider viel zu viel zu sehen und zu entdecken. Heute stand nun der eher alternative Teil des Festivals an, der nur kurze metallische Einsprenkler aufzuweisen hatte. Ansonsten Drone, Elektro und Gitarrenexperimente. Mir graute es jetzt bereits vor dem anstehenden Acid-Gemetzel auf das sich Kollege Fur schon seit Donnerstag freute. [Win]



Teeth Of The Sea


Dabei hatte ich für Kollege Win extra Bands rausgesucht, die seine kleinen geheimen Vorlieben für postrockige, elektronische Melancholie ansprechen sollten und so war er bei Teeth Of The Sea schon wieder einigermaßen versöhnt mit der Aussicht, heute mit mir bis in die frühen Morgenstunden abzuzappeln. Denn die Londoner präsentierten sich für uns gleich als perfekter Einstieg in den Tag. Musikalisch schwer zu fassen, verbinden sie Elemente aus Postrock, Electro, Metal und was immer man noch raushören möchte. Spätestens als Bassist Sam Barton zur Trompete griff, war klar, dass man den Briten nochmal zuhause ein Ohr leihen musste, z.B. auf ihrer Bandcamp-Seite. [Fur]

Abysmal Darkening
Abysmal Darkening

Das war ja mal richtig integrativer Black Metal, den die Doom Metaller Abysmal Darkening aus Holland abeliefert haben. Hat er da die Genres durcheinander gehauen? Nein, denn live war das mehr Black als Doom und sowieso eine ganz abwechslungsreiche Geschichte. Auch vom Erscheinungsbild des Vierers: die Gitarristin schien ziemlich abgemagert zu sein, der Drummer hat nur eine Hand und der Sänger, Herr AIDS, hat sein Aussehen bei Kyle Gass von Tenacious D geklaut. Eine bunte Truppe ist das und außerdem spielt Aussehen im Metal keine Rolle, denn die Brabanter vermochten es, durchaus stringent zusammen zu musizieren. Zudem selbst aus der Stadt Tilburg stammend, war das ein absolutes Heimspiel im “Extase”, welches Abysmal Darkening voll für sich entscheiden konnten. Mit dem am Stumpf befestigten Sticks schoss Drummer Ludas ordentlich los und Herr AIDS steuerte neben kalten Riffs noch diverse Screams bei, die durch einen druckvoll blubbernden Bass untermalt wurden. Schönes Ding. [Win]



Grumbling Fur


Grumbling Fur hatte ich eigentlich nur auf unsere Running Order gesetzt, weil um diese Zeit sonst nichts weiter im Angebot war, was uns wirklich interessiert hätte. Aber genau bei so einer Band stehen die Chancen für eine positive Überraschung besonders gut. Und so war es dann auch. Die beiden Briten spielen Avantgardistischen Pop, der irgendwo zwischen den Klangwelten von Vangelis und dem eingängigen Pop von The Cure oder Depeche Mode liegt. Die Verbindung zu Vangelis war dann auch gar nicht so weit hergeholt, schließlich haben Grumbling Fur einen Song im Angebot, der sich “The Ballad of Roy Batty” nennt und in dem nur berühmte Worte von Rutger Hauers Figur aus Blade Runner wiederholt werden. Spätestens hier war ich den Tränen ein bisschen nah und wusste, dass das Duo mit dem trockenen Humor meine Entdeckung des Wochenendes sein würden. Aber das war wohl auch zu erwarten, wenn man im Nachhinein feststellt, dass Daniel O’Sullivan (Ulver, Sunn O)))) Teil dieses Duos ist. [Fur]

Beer, Jesus and Acid
Beer, Jesus and Acid

Bier in der Kirche? Klar, jedenfalls wenn Urpf Lanze dort spielt und seine Interpretation von… ja, von was eigentlich präsentiert? Da hab’ ich leider keine Ahnung, aber sicher ist, dass der Belgier mit Grunts, psychedelischen Gitarrenklängen und leichten Drone-Anleihen experimentiert und zumindestens so was ähnliches wie eine Songstruktur zu kreieren vermag. Ob sich die Pauluskerk darüber im Klaren war, was sie sich da eigentlich in die heiligen Räume holt? Woanders hätte man den Kerl sicher wegen Verdachtes auf Besessenheit rausgeworfen. In Holland scheint das alles sowieso liberaler zu funktionieren und so saßen um die dreißig Leute mit Bier im Altarsaal und versuchten zu erörtern, was der junge Mann im karierten Hemd da eigentlich so genau vor hatte. [Win]



Hexis


Wozu Licht, wenn man Nebel und Stroboskop hat? Hexis hatten sich an diesem Abend vorgenommen, nichts von sich preiszugeben außer der eigenen Silhouette. Vermutlich, weil Sänger Filip einen ganz fiesen Pickel auf der Nase hatte und ihm dieser auf offiziellen Pressebildern mehr als peinlich gewesen wäre. So tauchte man die ganze Show in ein wahnwitzig blinkendes Lila, was verstörend und beruhigend zugleich wirkte und sogar etwas von der Musik wegführte. Sicherlich alles Kalkül, um insgeheim von Spielfehlern abzulenken. Oder halt: vielleicht waren das nicht einmal die Dänen Hexis auf der Bühne? Hat man sich vor dem Gig gedrückt aus lauter Angst zu versagen? Eine Verschwörung? Gibt es Hexis eigentlich gar nicht und die NSA hat… jetzt bloß nicht paranoid werden. Wir wissen nicht, was passiert ist und hinter den schwarzen Menschenformen hätte sich jeder verstecken können. Nur nicht Heirs, denn die hier konnten wenigstens spielen. [Win]

Shoegaziger Postrock stand jetzt mit The Twilight Sad an. Die Schotten spielen auch nur in Minimalbesetzung mit Keyboard-Ersatz für Drum und sonstigen Effekte. So ganz wollte der Funke trotz des sympathischen, dicken Akzents von Sänger James nicht überspringen und viel länger konnten wir den Klängen des Trios eh nicht lauschen, der Zeitplan trieb uns in die nächste Location… [Fur]



Lola Colt


Sweet! Was Lola Colt musikalisch bringen, liegt irgendwo zwischen Anna Calvi und Jefferson Airplane mit einem ganz eigenen Western-Touch, der zeitweise ordentlich unter die Haut geht. Zudem besteht die Band zur Hälfte (3:3) aus weiblichem Personal, was seinerseits viel männliches Publikum anlockte. Die attraktive Bassistin kommentierte dies umgehend mit “wow, what a meat fest”. Keine Ahnung, ob es sie anmachte oder eher abschreckte, aber vom Bewegungsablauf beim Spielen zu urteilen, schien sich die Britin diesmal besonders Mühe zu geben. Viel Zeit war jedoch nicht, denn Tulus standen im “Extase” bereits in den Startlöchern. Irgendwie schade, aber bestimmt hat man Lola Colt hier nicht das letzte Mal gesehen. [Win]

Tulus
Tulus

Man hatte nicht nur die seltene Ehre, Khold mal live zu sehen, auch das Trio Tulus aus denen Khold erst hervorgegangen sind, hatten sich angekündigt. Durfte man mit Khold jedoch noch auf der Hauptbühne im 013 aufspielen, fand die Show mit Tulus im gemütlichen “Extase” statt, was ein familiäreres Umfeld versprach und Fronter Sverre “Blodstrup” Stokland richtig redseelig werden ließ. Beinahe einer Probe gleich, fing man Songs an, hörte auf, wenn man sich verspielte und begann von neuem. Auch die Enden waren eher mit der Flinte gesetzt, als hart einstudiert.. Manch Einer könnte meckern, dass der Gig irgendwie unernst und zu lässig war, doch von meiner Seite tat die Ungezwungenheit der Musik richtig gut. [Win]

Der Abend neigte sich dem Ende zu und man sah vermehrt adrett zurecht gemachte Mädels und Buben, die sich für den elektronischen Samstagabend ein Extraticket besorgt hatten. Als Zugeständnis an meinen Kollegen fuhren wir nochmal zum Zeltplatz um unsere Biervorräte aufzufüllen und stürzten uns erst dann in die Acid House Schlacht. Einen Großteil unserer Zeit verbrachten wir aber auch mit lustigen Gesprächen und ziemlich merkwürdigen Kurzfilmen vor der Acid-Höhle. [Fur]



Long Night Of Shortfilms


Die ”Long Night Of Shortfilms” fand ganz unbekümmert vor dem 013 statt und wurde eher zufällig wahrgenommen, da man sich sicher war, dort vorher keine Leinwand gesehen zu haben. Schnell verfiel man in den Bann der Projektionen und schaute sich den ungarischen Kurzfilm “Esterhazy” von 1993 an. Das Knet-Animations-Kunstwerk beschäftigt sich mit der Zeit um den Mauerfall, jedoch aus der Perspektive der im Grünstreifen der Mauer lebenden Hasen, die sich selbst dort ihr eigenes Paradies geschaffen haben. Kollege Fur fasste es passend zusammen: “wie “Herr Lehmann”, nur mit Hasen”. Stimmt. Später gab es dann noch weitere, eher verstörende Arbeiten und eine absolut geniale Montage zu sehen, in der sich verschiedene Schauspieler aus verschiedenen Filmen selbst oder gegenseitig erschießen. Für uns und unseren auf “UK Dude” getauften Zeltnachbarn artete dies natürlich sofort in ein verbittertes Ratespiel auf Zeit aus. [Win]



Ceephax Acid Crew


Keine Ahnung, warum Metaller und Elektroniker sich oft nicht ausstehen können. Beide Genres haben eine Unmenge an Subgenres hervorgebracht und wer Gabber mag, muss eigentlich auch Grindcore mögen. Acid zählt neben Minimal, Psytrance und der ganz harten holländischen Schule (Thunderdome!) zu meinen persönlichen Favoriten der elektronischen Musik. Dementsprechend war ich auch einigermaßen gespannt, was die Incubate-Macher da so ausgegraben hatten. A Guy Called Gerald war ein ordentlicher Einstieg, ging mir aber noch nicht hart genug ins Bein. Bei 808 State verstand ich nicht, welche Funktion ein Frontmann bei einer rein musikalischen Gruppierung zu suchen hat und schließlich traf die Ceephax Acid Crew genau meinen Sweetspot aus minimalen Melodien, pumpenden Bässen und der Spur räudiger Härte. Der Sound im großen Saal war ordentlich, hätte aber noch mehr drücken können. Und warum die Holländer wie verrückt bei jedem Übergang pfeifen müssen, blieb mir auch verborgen. Wie die andere Seite der Medaille aussieht? Kollege Win schildert seine Sicht des Abends… [Fur]

Heilige Mutter Gottes, wer auf dieser grausamen Welt hat denn nur Acid House erfunden? Und wieso eigentlich? Kollege Fur ging gemeinsam mit UK Dude absolut steil auf die lichtreiche Szenerie im großen Saal des 013 und sie boten die vertraktesten Bewegungen zu straighten Bass-Linien und a-rhythmischen Elektrogeräuschen dar. Der Saal wurde immer voller und freudvoll verzerrte Fratzen tauchten ständig überraschend vor einem auf und verschwanden gleich wieder. Das Stroboskop wurde ausgepackt und mir schien, als wäre ich nicht der Einzige, der darauf nicht klarkommt.
Ein Typ mit Glatze und Hemd steht neben mir und strahlt mich an. Er nickt. Ich nicke zurück, weiß aber nicht warum. Die Szene wird immer grausamer. Leute schreien und rufen, einige pfeifen sogar, was für meinen werten Mitreisenden gar nicht geht. ”Das ist viel zu leise, wieso kann man denn zu Acid noch pfeifen. Ist doch Scheiße”. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen soll, brauchte ein Bier und drängte darauf, kurz nach draußen zu gehen, um eins zu holen. Nach Bier und Kurzfilm wurde die Wahrnehmung anders, nicht besser im eigentlichen Sinne, aber immerhin anders. Der nächste an den Tellern war lauter. Die anderen Räume gingen sogar noch etwas derber ab. Einer spielte eine Mischung aus 80er-Themen und harten Beats, was keinem gefiel. Uns zog es zurück auf den Acid-Floor, wo wieder Licht, Bässe und noch weitaus schlimmere Fratzen auf uns warteten. Alle schienen immer glücklicher zu werden. Beim Vorbeigehen klopfte man mir auf die Schulter. Bitte hört auf, mich zu berühren. Ich brauch dann am Zelt unbedingt noch ein Bier. Egal, wann das sein wird. [Win]


Sonntag

Horses
Horses

Die erste Location des Tages sollte ein kleiner Kaffeeladen sein, in dem laut Programmheft die Indie-Band Horses spielen würde. Beides war durchaus praktisch, denn gleich hartes Gerödel am morgen hätte mein Kopf wohl nicht vertragen und außerdem gab es dort belegte Brötchen mit “Oude Kaas” (altem Käse), die frisch, köstlich und nahrhaft waren. Auch musikalisch ging das in Ordnung, was das auf einen Mann geschrumpfte Quintett zum späten Frühstück ablieferte. Fronter Bert Vliegen hatte allein die Gitarre in der Hand und ließ leichte, dezent melancholische Klänge durch den wohlriechenden Kaffesaal fliegen. Gemütlich und angenehm. So kann man erquickt und zuversichtlich in den Tag starten. [Win]



unhappybirthday


Der Indie-Rock sollte uns noch nicht loslassen und weiter in den Plattenladen “Sounds” führen, wo Unhappybirthday spielen sollten. Der Plattenladen selbst war wunderschön und mit bester Musik angefüllt. Platten von Nick Cave bis Jon Bon Jovi hin zu Panzerchrist, Marduk und Incubus. Hier findet man wirklich noch den Plattenladen seines Vertrauens. Bei diesem erhellenden Umfeld konnte es ja gar nicht schlecht werden. Gelacht, denn schon im Vorfeld musste man den Berliner Hipster-Slang des Trios vernehmen, der nichts Gutes verheißen konnte. Und so kam es schließlich auch. Den armen Oberschicht-Kindern aus der Hauptstadt war einfach kein Sound gut genug, um ihre eingängigen, jedoch banal einfachen Melodien mit Sprechgesang spielen zu können und so kam es direkt nach den ersten Songs zu einer ewig langen Pause, weil wohl der Bass zu laut war. ” Nein, das geht wirklich nicht. Also der Bass drückt ja unheimlich. Da kann ich nicht hören, was ich hier spiele. Sage das dem Tontechniker bitte mal. Das geht so nicht.” Muss nicht sein, es gibt auch noch besseres zu entdecken in dieser wundersam kunstvollen Stadt. [Win]

Hessian
Hessian

Bevor Kollege Win also ähnlich ausfallend wie bei Heirs werden konnte, verließen wir schleunigst den Ort des Geschehens und radelten zur Location, die Hessian unter beschlag nehmen sollten. Und das war auch gut so, denn Hessian zu verpassen wäre doch ziemlich schade gewesen. Die Belgier lieferten ein unerwartet eingängiges und atmosphärisches Set ab, mit dem man so in der Form gar nicht gerechnet hatte. Auch weil Hessian unter Punk abgestempelt wurden, worauf ich keine Lust gehabt hätte. Zum Glück kam es anders und nun weiß man, dass die Belgier immer einen Blick wert sind. [Fur]

Doom
Doom

Der Auftritt von Doom wurde im Incubate-Begleitheft als absoluter Ausrastgarant beschrieben. Dementsprechend hielten wir uns erstmal auf der Tribüne auf und warteten der Dinge, die da kommen mögen. Das war dann schließlich gar nicht so viel. Bequem kam man ohne Schubsereien auch noch in die erste Reihe. Vielleicht war das Publikum einfach nicht genügend mit Punks besetzt, die sich die Pioniere des Crust/Punk reinziehen wollten. Einen weiteren Grund kann es eigentlich nicht gegeben haben, denn die Briten feuerten sofort aus allen Rohren und man konnte erahnen, warum sie für viele Metalbands so wegweisend waren. [Fur]

Carnal Decay
Carnal Decay

Nun wurde es aber Zeit für richtigen Metal. Und damit meinen wir technischen, brutalen Death Metal, der von einer kleinen, zierlichen blonden Dame gezockt wurde. Die Schweizer Carnal Decay sind zu viert unterwegs und haben eine talentierte Frau als Gitarristin, die zwar nicht ganz zwischen die drei großen Kerle passt, jedoch so manchen männlichen Klampfer locker an die Wand spielt. Viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen: schnelles, hartes Geballer, das man so ähnlich zwar schon oft gehört hat, aber selten so auf den Punkt. [Win]

”Could you just tell me, when I have to start?”
- In a minute

”Oh, and am I supposed to play half an hour?”
- ahhh, yes.

”Ok… so, I’ll maybe start.”

Nick Millevoi
Nick Millevoi

Während Kollege Fur auf der Straße vor der Synagoge wartete und ich mich wartend auf dem persischen Teppich unter dem weißen Gewölbe hin und her rollte, sah man eindeutig, dass Nick Millevoi bestens auf seinen Auftritt in der Synagoge vorbereitet war. Er wusste ganz genau, was er zu tun hatte. Erst einmal den Verstärker voll aufdrehen und eine der zwölf Saiten seiner Fender Stradocaster anschlagen, um zu schauen, was passiert. Na gut, klingt langweilig. Mal kurz auf eines der zwei Freeze-Geräte latschen und irgendwie mehr Bass reinbekommen. Ah, super… ja, das lassen wir erst einmal so klingen.
Drone ist wirklich keine schwere Musik, wenn man nur immer felsenfest behauptet, dass das genau so klingen soll und nicht etwa der blanke Zufall hier mitspielt. Ich weiß nicht, ob die Musik von Nick reproduzierbar ist oder ob man hier eher von zufälligem Jam-Drone sprechen kann, aber zumindest hatte der Mann CDs und sogar Schallplatten. Wer produziert so etwas eigentlich und warum? [Win]

Sag mal, steht da eine Karre mit Chemnitzer Nummernschild rum?
Ja, schon.
Aber Infernal Dominion kommen doch aus den USA, oder?
Ja, schon.
Komisch, was ist denn da los?

Infernal Dominion
Infernal Dominion

Pighead-Gitarrist Denny Hahnke klärt indes auf, dass sich die Amis einen Truck geliehen haben… in Chemnitz… wo auch sonst!? Liegt ja direkt in der Nähe von Tilburg. Die restlichen Eindrücke der Amerikaner waren da schon nachvollziehbarer. Laut, wütend und immer nach vorn. Infernal Dominion bewiesen eindrucksvoll, dass sie nicht erst seit gestern Musik machen und dennoch alle aktuellen Rafinessen wie derbe Blast Beats und tiefe Grunts beherrschen. Ein schöner Kontrast zu der morgendlichen Indie-Welle. Teilweise war das fast schon Brutal Death und dennoch konnte man den weichen Kern der Jungs finden: “This is our last show. After this we have to go back to our mediocre jobs.” Buhu, die armen Jungs. Aber irgendwann geht alles vorbei, auch die Jobs und dann könnt ihr sicher wieder auf Tour. Ich glaube an euch! [Win]

Nohome
Nohome

Cool, Free Jazz. Da lass’ uns mal kurz rüber ins “Paradox” fahren und da schauen wir uns vor Pighead noch Nohome an. Klar, machen wir. Das hätte auch ganz wundervoll geklappt, wären Nohome keine versnobten, selbstverliebten, deutschen Spinner geweseb, die für drei Instrumente das doppelte an Umbauzeit brauchen und sich sowieso im Backstage noch kurz gegenseitig bestätigen müssen, wie schön ihre Hemden sind. Und das schlimmste - es kam nicht einmal Free Jazz, sondern nur irgendein leicht sludiger Rock, den man schon tausendmal gehört hat. Dann doch lieber wieder zurück ins “Little Devil”, denn Pighead nehmen sich wenigstens selbst nicht allzu ernst. [Win]

Pighead
Pighead

Für Pighead war das Incubate nur ein Zwischenstop auf ihrer Tour, aber sie zeigten sich einigermaßen begeistert über die Unmenge an auftretenden Bands und bekundeten besonderes Interesse an dem japanischen Trio Shonen Knife. Auf die Gründe soll hier nicht weiter eingegangen werden. Widmen wir uns lieber dem Auftritt. Wie schon die anderen Bands an diesem Tag war auch bei Pighead nicht wirklich viel los. Vielleicht 30-40 Leute tummelten sich im Little Devil und ließen sich nicht zu einem Circle Pit motivieren. Pighead schien das nicht wirklich zu stören und so ballerte sich das Quartett mehr oder weniger sicher durch ihr Set, das mit etwas über 30 Minuten ziemlich knapp ausfiel. [Fur]



Usurper


”We want to be friends with you. What would you like us to play?”, ”We want to be friends with you. What would you like us to play?”, ”We want to be friends with you. What would you like us to play?”, ”We want to be friends with you. What would you like us to play?”,”We want to be friends with you. What would you like us to play?”, ”We want to be…”. Jaaaa, ok… nehmt das Handy jetzt, aber fangt um Gottes Willen endlich an. Ich glaube ja, dass sich auch die Leitung der Synagoge nicht darüber im Klaren war, was sie sich da in ihre Gemächer geholt haben.

Usurper
Usurper

Und wir waren uns nicht im Geringsten klar darüber, wo wir da hinein geraten sind. Man befand sich im neunten Kreis der Performance-Kunst-Hölle und Usurper hatten den Auftrag einen fertig zu machen. Ich weiß nicht, ob der Witz gewesen wäre ”play some music, please” zu rufen, aber das britische Duo hatte ja weder auf Funeral Doom noch auf andere Genres reagiert. Sowieso frage ich mich, inwiefern das Kunst war… man wusste ja noch nicht einmal, was auf dem scheiß Tisch lag. Wie soll ich dann sagen, was sie benutzen sollen? [Win]



Barn Owl


Von Faal sahen wir leider nur noch den letzten Song. Der depressive Doom Metal der Holländer passte aber perfekt in unsere melancholisch werdende Stimmung, schließlich neigte sich das Incubate für uns dem Ende zu. Eigentlich waren wir für Barn Owl noch mal ins 013 geradelt und wir bereuten diese Entscheidung nicht. Um was für Musik es sich handelt, die das Duo produziert, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Früher war wohl bei Auftritten der beiden schon noch eine Gitarre zu vernehmen. Mittlerweile treffen elektronische Dubbeats auf atmosphärische, reduzierte Melodien und bilden zusammen einen hypnotischen Klangteppich der mit seinen minimalistischen Änderungen monolithische Einsamkeit versprüht. Keine Ahnung, ob diese Beschreibung einen Sinn macht, aber Barn Owl kann man nicht beschreiben, man muss sie erleben. [Fur]



Willis Earl Beal


Kollege Fur schwärmte schon das ganze Wochenende davon, dass er Willis Earl Beal sehen wolle, denn die Eindrücke aus dem Internet waren bestechend: Ein großer schwarzer Kerl, der allein mit einer Gitarre auf einem Stuhl sitzt und mit Sonnenbrille verkleidet, traurige Melodien singt. Das ist im Grunde genau unser Ding, nur stellte sich heraus, dass Mr. Nobody doch nicht, wie geplant, Samstag spielen sollte, sondern Sonntag ab 21:30 Uhr. Eigentlich die Zeit, zu der wir langsam gen Heimat aufbrechen wollten. Letzten Endes haben wir uns dann doch für Willis Earl Beal entschieden, was wirklich eine gute Entscheidung war.

Weißes Einhorn
Weißes Einhorn

Die Show fand im De Nwe Vorst statt, ein aufwendig gestalteter Kunstschuppen mit diversen Ausstellungen und fragwürdigen Fotoserien von Häuserecken. Besonders wichtig ist jedoch das große, weiße Nashorn, das im Garten untergebracht ist, dessen Besteigung jedoch leider untersagt war. Wenn man das erste Mal diese Location betritt fragt man sich, wo dort ein Konzert stattfinden soll. Es gibt zwar einen kleinen Saal beim Foyer, wo ein Mann mit Gitarre hinpassen würde, aber wie in Holland augenscheinlich üblich, versteckte sich hinter drei Ecken noch ein gigantischer Konzertsaal, der locker 1000 Leute fasste.
So viele waren schließlich nicht da, doch der Saal war gut gefüllt und unerwarteter Weise stand Willis Earl Beal nicht allein auf der Bühne, sondern hatte einen Drummer, einen Bassisten und einen Gitarristen dabei, die seine sonst eher schrägen Melodien glatt und eindrucksvoll zum Besten gaben. Die Songs machten einen schönen Spagat zwischen Blues, leichtem amerikanischem Folk, Gospel und dezenten Neo-Pop-Anleihen, ohne zu vergessen, dass der Gesang klar im Vordergrund stehen muss. Zu Recht, denn der Chicagoer hat eine immense Stimme, die schnell unter die Haut geht. Die Emotionalität seiner Musik versucht er dabei mit zynisch-distanzierten Ansagen und abstusen Songtitel wie “Get In My Car, Bitch” zu abstrahieren. Übrigens sein Lieblingstitel wie er meinte, der sei ihm sehr wichtig. Wir glauben ihm. Schön, dass er ihn mit uns geteilt hat. [Win]


Fazit

Irgendwie schade, dass man sich Willis Earl Beal nicht zu Ende anschauen konnte, aber der Weg nach Leipzig war noch weit und es war jetzt bereits nach 22:00 Uhr. Ab auf die Fahrräder und zum Auto, schnell einladen und schön gemütlich die 640 km quer durch Deutschland hacken. Irgendwie haben wir es geschafft, uns mit “Scho-Ka-Kola”, Energy-Drinks und dem Besten aus den 80ern was das Radio zu bieten hatte, wach zu halten, was nach den Anstrengungen dieses Wochenendes nicht einfach war. Man wurde sowohl kognitiv als auch körperlich gefordert, denn weder bin ich auf einem Festival schon mal so viel Fahrrad gefahren, noch habe ich so viel undurchdringliche Kunst auf einem Haufen gesehen. Gut jedoch, dass man so klug war, Drahtesel einzupacken und diesen weiten Weg auf sich zu nehmen. Alles zu erlaufen, was das Incubate einem zu bietet vermag, ist fast nicht machbar und sicher hätte man sonst die ein oder andere Band verpasst, um die es schade gewesen wäre.

Incu13
Incu13

Was man zu Tilburg und zum Incubate sagen kann ist, dass Stadt als auch Festival etwas wirklich besonderes sind. Nicht vergleichbar mit anderen Festivals auf denen wir bisher waren und irgendwie mehr ein riesiges Kunst-Happening an dem Unmengen netter Leute teilnehmen und großartige Bands spielen. Ganz Tilburg scheint auf Kunst ausgelegt zu sein. Alles ist sauber, ordentlich, durchdacht und mit einem gewissen Witz versehen. Jedes Fenster in das man hinein schaut, scheint ein Ausstellungsraum für Design-Architektur zu sein. Tilburg zeigt sich von seiner originellen, seiner jungen und hippen Seite, ohne jedoch aufgeblasen oder anstrengend zu wirken. Selten hat man eine Stadt gesehen, die so vielfältig und abwechslungsreich, aber am Ende doch harmonisch wirkt. Das Incubate und Tilbrug sind eine perfekte Symbiose und wir selbst froh, dies miterlebt zu haben. Wir freuen uns bereits auf 2014! Dank u wel! [Win]