Knapp zwanzig Euro für einen Kurztrip nach Belgien inklusive Ausflug nach Frankreich? Die "Church of Ra"-Agentur macht es möglich und dafür muss man sogar nur bis nach Connewitz fahren. Ein nicht abzulehnendes Angebot. Gut, die Reise wird sicher etwas aggressiver und lauter als jedes TUI-Angebot, doch wer das nicht aushält, der kann ja immer noch nebenan zu Frida Gold gehen. Zugegeben, die Überlegung war da. Aber warum sich dieses jammernde Frauenelend anschauen, wenn knapp zehn Meter daneben die Wutgöre von Oathbreaker zeigt, wie man sich richtig beschwert? Folgerichtig ging es also ins UT Connewitz wo neben Caro Tanghe auch noch die Männer von Hessian, Treha Sektori und Amenra zeigten, wie ausgezeichnet Belgier ihre Wut in sludgige Riffs, donnernde Drums und schmerzverzehrte Vocals umsetzen können.

Leider ging es nicht gleich rein und eine riesige Traube aus Punks, Metallern, hippen Doomstern sowie ein Typ mit Skateboard sammelten sich vor dem Eingang. Natürlich gab es entsprechend auch noch kein Bier, was für die UT schade war, denn hier hätte man sicher das ein oder andere alkoholische oder zumindest matehaltige Kaltgetränk mehr an die durstige Meute verkauft. So musste sich die Dame am Bartresen dann wundern, wieso alle erst zum Merchandise rennen und nicht zum Bier, denn damit hatte man sich unterdessen schon anderweitig versorgt. Aber alles kein Problem. Spätestens bei Hessian war die Bierlust dann bei den meisten wieder da.



Hessian selbst blieben bei Wasser und schossen gleich mit dem ersten Song “Ascension” richtig los. Deutlich stärker als beim restlichen Line-Up des Abends spürte man hier den Hardcore-Einschlag der Jungs, der sich vor allem im Drumming niederschlägt, das stets gut nach vorn drückt. Das ging auch auf das Publikum über und die ersten drei Reihen des gut gefüllten Theatersaals ließen es sich nicht nehmen, ihre besten Tanzmoves auszupacken. Eine Zuschauerin sprach sogar davon, sich vorher alle Texte durchgelesen zu haben, um die Emotionen auch richtig mitnehmen zu können. Vorbildlich! Wir haben uns einfach ganz banal von der Mucke treiben lassen und bleiben bei dem Fazit, dass Hessian durchaus ihre Qualitäten haben, aber auf Dauer irgendwann einer gewissen Monotonie erliegen. Für die Kürze dieses Sets aber definitiv immer wieder gut hörbar. Im weiteren Set waren noch “Serpent’s Whisper”, “Mourn The World of Man”, “Father of Greed” und “Mother of Light” zu hören.



Mit Oathbreaker begann gleich an zweiter Stelle mein persönliches Highlight des Abends und der eigentliche Grund, warum die mehr oder weniger schwierige Reise nach Leipzig in Angriff genommen wurde. Nachdem die Belgier um Frontfrau Caro mit “Eros/Anteros” gezeigt haben, dass der Geist von Negate in Belgien noch weiterlebt, war es absolute Pflicht, diese Truppe mal live abzugreifen und hier war endlich die Möglichkeit. Natürlich gab es jetzt auch kaum noch Licht und der ganze Raum war in ein düsteres Blau getaucht, was der Stimmung schon ganz zuträglich war. Den Anfang machte gleich der Signatur-Track “No Rest for the Weary”, mit dem mich die Band damals gekriegt hat und der ein Antesten der Platte unausweichlich machte. Und ja, live drückt das Ding nochmal um einiges mehr und die Stimme der belgischen Walküre schneidet kompromisslos durch die wuchtige Wand aus schwarzmetallischen Gitarrenriffs und tief dröhnendem Bass. Schon beim Opener war kein Halten mehr im Saal, denn Oathbreaker räumten einfach auf ganzer Linie ab, was nicht zuletzt am sehr abwechslungsreichen Songwriting der Band liegt. Weiß man bei den meisten Sludge-, Doom- oder Stoner-Truppen spätestens nach dem zweiten Song, wo es langgehen wird, überraschen die Genter immer wieder mit ausgefallenen Riffs und unerwarteten Rhythmen. Wer spielt sonst schon einen klassischen Hardcore-Beat über düsterste Riffs? Die Krone setzten Oathbreaker dem Gig mit dem “Mælstrøm”-Smash-Hit “Glimpse of the Unseen” auf. Das Ding hätten sowohl Celtic Frost als auch Satyricon bringen können und wären noch stolz wie Bolle. Oathbreaker hauen den einfach so raus. Weil sie es können. Was man noch so alles kann, hat man größtenteils mit Songs der “Eros/Anteros” gezeigt. Was für ein Brett! Danke dafür.

Setlist (ohne Gewähr):

“No Rest for the Weary”
“As I Look Into The Abyss”
“The Abyss Looks into Me”
“Agartha”
“Offer Aan De Leegte”
“Shelter”
“Condor Tongue”
“Glimpse of the Unseen”



Treha Sektori war mir absolut kein Begriff, weshalb man auch keine irgendwie gearteten Erwartungen hatte. Kurz vor Beginn bekam man noch den Tipp, dass es sich wohl eher um eine Art Videokunst mit gelooptem Drone handelt. was dann auch so ziemlich genau das war, was Dehn Soras ablieferte. Der Franzose ist in vielen Projekten der “Church of Ra” vertreten und hat seit geraumer Zeit mit Treha Sektori ein Solo-Projekt, das Bild und Ton miteinander verbindet und beides als gleichwertige Komponenten seiner Kunst versteht. Das mag im Rahmen eines Kunstfestivals sicher gut funktionieren und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass mit Treha Sektori ein respektables Kunstgebilde geschaffen wurde. Doch schien es mir, als wäre der zugewiesene Slot dafür etwas ungünstig. Aber natürlich ist das reine Ansichtssache. Leute hat es dennoch gezogen und im kunstaffinen Connewitz kann man sicher auch problemlos eine derartige Zäsur einbauen. Ich hätte es an den Anfang gesetzt.



Den Abschluss bildeten die großen Amenra über die man im Grunde nicht viele Worte verlieren muss. Mit ihrem seit 2003 initiierten “Mass”-Zyklus haben sich die Belgier einen Namen in der Doom/Sludge-Szene gemacht und können mit vollen Hallen rechnen, wenn sie irgendwo ihren Namen auf einen Flyer pappen lassen. Die Halle blieb gleich dunkel und wurde nur spärlich von dystopischen Beamer-Installationen beleuchtet, die einen stimmungsvollen Rahmen für die druckvolle Soundwand des Quintetts bildeten. Gespielt wurden Songs aus dem ganzen Zyklus, wobei die aktuelle Platte “Mass V” lediglich mit “Boden” und “À Mon me” bedient wurde. Natürlich muss man hier beachten, dass zwei Songs in diesem Fall auch gut 22 Minuten sind. Das Set der Belgier bot entsprechend einen Eindruck in alle Schaffenphasen und die Zuhörer dankten es mit einem vollen Saal, der jeden Ton begierig aufnahm und in schwankende Bewegungen umsetzte. Ein wunderbar hypnotischer Abschluss.

Setlist (ohne Gewähr):

“The Pain It Is Shapeless We Are Your Shapeless Pain”
“Razoreater”
“À Mon me”
“Boden”
“Terziele”
“Nowena | 9.10”
“Am Kreuz”
“Silver Needle. Golden Nail”


Schön war es wieder einmal in Connewitz und das UT erwies sich erneut als talentierter Gastgeber. Das Bier war kalt, der Saal gut gefüllt und die Bands mit Bedacht ausgesucht. Lediglich am Sound hätte man hier und da noch ein bisschen arbeiten können. Schon bei Hessian hatte man das Gefühl, dass die Gitarre etwas breiig daherkommt und das Schlagzeug fast schon zu prominent klang. Oathbreaker und Amenra hatten ähnliche Probleme. Dennoch halten sich die Beschwerden in Grenzen und man muss eingestehen, dass es auch einfach nicht leicht ist, in einer derartigen Halle den perfekten Sound zu finden. Geballert hat es ohnehin und was will man da noch mehr? Wir kommen definitiv wieder und freuen uns schon auf das nächste dicke Paket im Metal-Theater. [Win]