Dienstag war es, der 5. Oktober 2010 und die Reise sollte nach Leipzig gehen, um eine illustre Kombination musikalischer Unterschiede zu genießen. Namentlich war es die „Ballroom Blitz Tour 2010“, welche mit Turbowolf, Dimmu Borgir und Korn in der Hauptrolle eine gute Menge Menschen in das Haus Auensee zu Leipzig lockte. Eine großzügige Örtlichkeit, die mit zweierlei Merchandise-Ständen, drei Bars und einem Bockwurst-Verkäufer aufwarten konnte. Schon vor dem Konzert war es amüsant zu beobachten, wie sich das musikalisch doch divergierende Publikum beschnüffelte, Kontakte knüpfte oder mental einzuordnen versuchte. In der Tat, hier trafen irgendwie zwei völlig andere Welten aufeinander. Dennoch blieb es brav und nachdem alle Umstehenden eingetütet waren, versammelte sich der Großteil wieder vor den Toren um der weitverbreiteten Nikotinsucht zu fröhnen.
Turbowölf
Indes machte sich eine junge Band aus dem beschaulichen Bristol, Großbritannien bereit, um die Massen mit einer Mischung aus Heavy- und Thrash Metal zu begeistern. Ganz zweifellos ist die Einordnung von Turbowolf, oder auch Turbowölf laut eigenem Shirt-Design, dabei jedoch nicht. Gesanglich schien man sich in etwa an Zack de la Rocha (Rage Against The Machine) zu orientieren, brachte aber auch vereinzelte Scream-Ansätze und eine gute Portion Heavy Metal mit ins Boot. Auch dezente Schwarzmetall-Allüren wurden durch gemeinschaftliches Corpse Paint propagiert, was jedoch rein visueller Natur blieb. Und auch wenn ein Synthesizer die Bühne schmückte, so spuckte dieser nur rudimentär das ein oder andere Elektro-Interludium aus, zu welchem dann deftig die Saiten zerrupft wurden. Es bleibt festzuhalten, dass man eine gute Show geboten bekam, die genauso schnell wie unverhofft ihr Ende fand. Ein groovig-lauter Briten-Metal, den man sich mal im Hinterkopf behalten sollte.
Der Wolf verließ die Bühne und die Leute lechzten nach mehr Musik, doch war Geduld gefragt, denn Dimmu Borgir spielen nicht auf einer simpel dekorierten Bühne. Nein, hier muss immer etwas mehr zu finden sein, als es für ein rein musikalisches Vergnügen eigentlich nötig wäre. Und nachdem mit der neuen Platte „Abrahadabra“ alles auf frostiges Weiß getrimmt wurde, muss das Bühnenbild sich dem nun anpassen. Doch es hielt sich, der Gerechtigkeit willen sei dies hier erwähnt, in Grenzen, was man an Zeit in den Umbau investierte und nach rund 35 Min. standen die sympathischen Norweger auf der Bühne, um ihr neues Set auf die Leipziger loszulassen.
Doch, mir zur höchsten Freude, begann das Vergnügen mit dem „Enthroned Darkness
Dimmu Borgir
Triumphant“-Klassiker „Spellbound By The Devil“, welcher mit Begeisterung entgegen genommen wurde. Shagrath, Galder, Silenoz und Co. spielten sich die nordischen Griffel wund und bewiesen, dass auch der rauere Black Metal noch gut in den Gliedern steckt. Danach musste man sich aber erst einmal auf Neues besinnen und schleuderte die Single-Auskopplung „Gateways“ hinterher; eine Single, die, mit Verlaub, live weitaus besser zu Gesicht steht, als auf Platte. Einziges, jedoch nur schwerlich zu optimierendes Manko ist die Tatsache, dass Agnete Kjolsrud (Ex-Animal Alpha, Djerv) nur aus der Konserve zu hören war. Aber für diesen einzelnen Song ist das auch immer noch zu verkraften. Zumal darauf mit „Puritania“ noch ein Stück folgte, dass deftig Druck in die Halle brachte.
Dimmu Borgir
Und schon da konnte man beobachten, dass sich die Setlist sehr zum Positiven zu entwickeln schien. Das neue Album hatte zwar einen guten Anteil, wurde jedoch auch nicht konsequent durchgeprügelt. Es erklungen noch die neue Band-Hymne „Dimmu Borgir“, welcher man ähnliche Live-Qualitäten wie „Gateways“ zuschreiben muss, „Xibir“ und „Chess With The Abyss“, aber darüber hinaus vermehrt Stücke wie „Progenies Of The Great Apocolypse“, „The Serpentine Offering“ und das großartige „Mourning Palace“. Alles in Allem ein wirklich guter, treibender und unterhaltsamer Epochen-Mix, den die neu-geordneten Schneemänner da präsentierten. Man kann durchaus zufrieden sein, wie sich dieser Auftritt entwickelt hat; musikalisch, wie visuell. An Effekten wurde ebenso wenig gespart, wie an Herzblut und man merkte doch unweigerlich, dass die Herren immer noch gern an ihren Instrumenten stehen. Ob man nun ein antikes Fell-Kostüm dabei tragen muss ist eine andere Geschichte, aber vor allem Geschmackssache, die Qualitäten der Band leiden jedenfalls nicht darunter.
Doch auch das schönste Konzert findet irgendwann sein Ende, vor allem, wenn noch Korn in den Startlöchern stehen. Eine kleine Beschwerde am Rande, die eigentlich nur all diejenigen betrifft, die das Foto-Privileg besitzen, hier aber dennoch Erwähnung finden soll, ist die pure Sinnlosigkeit der Aufforderung, nach der „Grabenzeit“ die Halle zu verlassen! Ob das nun von den Veranstaltern oder den Bands ausging, konnte nicht gänzlich geklärt werden, aber eine vernünftige Rechtfertigung bleib ebenso aus. Da musste man das Konzert also entweder aus der weiten Ferne der Tore verfolgen oder seine Kamera in „vertrauensvolle“ Security-Hände geben. […] Klasse Idee, bitte Weitere vortragen.
Aber genug des Schimpfes, der Abend sollte davon nicht beeinträchtigt werden. Zumal dann nicht, wenn zwei Bands aus jeweils einer prägenden Lebens-Periode kurzum beschließen, gemeinsam auf Tour zu gehen. In diesem Zuge muss man Korn übrigens zu Gute halten, dass sie die Umbau-Phase intelligenter zu nutzen wussten, denn diese hatten sich einen sehr gut gelaunten und sicher auch nicht gerade unterbezahlten DJ engagiert, welcher alte System Of A Down, Deftones, Korn-Kracher nebst erheiternder Party-Musik durch das Boxen-System jagte. Der Fokus wurde somit vom Warten auf das Feiern verlegt, was Mr. Davis und Co. natürlich einen ordentlichen Start versprach.
Korn
Diese Rechnung ging auch auf, denn mit dem ersten Ton brach im Publikum die Hölle los. Dabei diente „Right Now“ als Anheizer, der das Korn-Feld in Flammen setzen sollte. Die Bakersfielder schienen auch gut gelaunt zu sein, denn die drei verbliebenen Gründungsmitglieder scheinen neue Kraft getankt zu haben. Ob dies nun an der, zugegeben gelungenen Rückperspektivierung mit „Remember Who You Are“ liegt, oder schlicht an der Tatsache, wieder ein recht stabiles Line-Up geschaffen zu haben; wer weiß. Fakt ist jedoch, dass Jonathan Davis wieder seine Stimme gefunden hat und auch frühe Meisterwerke wie „Blind“ gekonnt auf die Bühne bringt. Generell schien auch hier zu gelten, weniger ist mehr und somit hörte man zwar einige neue Töne der Band, aber auch viel und damit meine ich wirklich viel, aus der Zeit der ersten drei Platten. Da gab es beispielsweise „Follow The Leader“, „Blind“ „Freak On A Leash“ „Itch“, „Shoots 'n' Ladders“, „Got The Life“ und sogar „Clown“ zu hören. Dies Alles in einer Qualität, wie ich sie
Korn
Korn zugegebener Maßen nicht mehr zugetraut hätte, denn was man sonst so zu sehen bekam, kam einer langsam dahin-siechenden Epidemie gleich. Doch diesmal nicht; Korn haben sich wieder gefunden, so scheint es. Selbst neuere Sachen wie „Über-Time“, „Here To Stay“ oder die dezente Cover-Fraktion mit „Another Brick In The Wall“ und „We Will Rock You“ wirkte vitaler und organischer denn je. Zudem erfreute auch ein James "Munky" Schaffer, welcher an diesem Abend dezent an "Dr. Parnassus" erinnerte und wie wild über die Bühne sprang. Zuletzt konnten mich Korn im Jahre 2005 so begeistern, kurz vor der Periode, als mein Geist schon mit den Nu-Metal Königen abgeschlossen hatte.
Korn
Zum Ende hin kredenzte der neue Kessel-Meister Ray Luzier noch ein deftiges Schlagzeug-Solo, welches zwar druckvoll und schnell daher kam, aber ein bisschen großzügig in die Bass-Verstärkung ging, was leider zum Übersteuern tendierte. Aber; große Show, gute Live-Performanz und ein erstklassiger Lichtblick für eine mögliche Zukunft mit alten Stärken. Ich kann nicht meckern, mache ich auch nicht.
Und da war er auch wieder vorbei der schöne Abend. Alle Verpflichtungen waren erfüllt und die Heimreise konnte angetreten werden. Als Fazit bleibt eigentlich nur Lob: Schöne Touridee und eine gute Location, die zwar an einigen Stellen etwas wirr und unkoordiniert scheint, aber im Grunde schon alles im Griff hat. Man freut sich auf das nächste Mal. Besten Dank!