Normalerweise bedeutet es nichts Gutes, wenn man an einem Samstagnachmittag nach Niesky fährt. Entweder man ist um die 10 Jahre alt und muss mit den Eltern Pilze sammeln gehen, oder man ist um die 25 und muss mit Oma, Opa, Tante, Onkel in irgendeine Provinzkneipe, um schweigend das wiederholte Vorübergehen eines Jahres zu zelebrieren. Diesmal sollte jedoch alles anders sein, denn nicht Oma hatte was zu feiern sondern die East German Death Metal-Gemeinde. Das sechste Goremageddon stand an und fand in diesem Jahr seine Heimat im Jugendzentrum H.O.L.Z.
Links die Bühne, rechts die Bar – dazwischen schüttelt man sein Haar. Das hätte gut das Motto des Abends sein können, denn mit Bands wie Illdisposed, Maat, Unlight und Zonaria hatte man ein deftiges Paket geschnürt, das für schmales Geld eigentlich jede musikalische Vorliebe bedienen konnte. Also keine Ausreden - wer in der Nähe war, hatte hier zu sein.
Den Anfang machten die Kotköpfe von Bowel Evacuation, die nach einem flatulativen Intro gleichmal den Einsatz verkackt haben. Macht ja nichts, scheiß drauf! Ein Kredo, das die Jungs mit Inbrunst beherzigen und einfach immer feste drücken. Was dabei aus den Boxen kommt ist stupider Grind in Reinform, der sich heute aber auch ein bisschen wie brauner Brei anhörte. Stimmlich irgendwo zwischen Bauarbeiterrülps und Bierschiss, wuchtet auch der Rest der Kapelle ohne großen Aufwand möglichst viel Lärm nach vorn. Das kann man gut finden, ist aber schon eher was für die ganz hartgesottene Grindgemeinde, für welche bei Growls immer noch zu viele Höhen im Gesang sind. Schön übrigens, dass die Grinder ihre ganz eigenen Tanzmoves entwickelt haben. Irgendwo zwischen Ausdruckstanz und Durchfalltee.
Gleich im Anschluss machten sich die Berliner Ägyptologen auf, um ihren spürbar von Nile inspirierten Death Metal abzufeuern. Drummer Tempest zeigte sich schon vor dem Gig spielbereit und knüppelte nach einem kurzen Intro eine Salve nach der anderen aus seiner frühgeschichtlichen Kanone. Dabei wurde schnell klar, dass hier ein technisches Exempel statuiert wird, das mit Melodie und Geschwindigkeit gepaart mit dichter Atmosphäre und eingängigen Riffs immer straff nach vorn geht. Maat haben sich zu einer echten Hausnummer entwickelt, die live einfach alles zermalmt. Vielleicht hätte man hier mit einem späteren Slot sogar noch mehr rausholen können. Wirklich beschweren kann man sich über diese Macht aber nicht.
Nach diesem nordafrikanischen Ausflug war es wieder Zeit, in den Osten zurückzukehren. Cytotoxin haben sich aus dem schönen Chemnitz nach Niesky bequemt, um ihren atomaren Erstschlag zu vollführen. In bester erzgebirgischer Mundart wurde den Kameraden befohlen, ihre Gasmasken anzulegen und nach kurzer Einleitung legte das nun um einen Gitarristen reichere Kollektiv ein Brett nach dem anderen aufs radioaktive Parkett. Da das H.O.L.Z. ansonsten vornehmlich die Hard- und Metalcore-Szene der Region beherbergt und grundlegend nicht viel mehr in Niesky passiert, waren auch ein bis zwei Violent Dancer zugegen. Cytotoxin wussten das zu nutzen und schleuderten einen Teppich aus Break-Bomben in die Meute. Spätestens als Sänger Sebastian 'Grimo' Grimh das Mikro oral missbrauchte, gab es im Publikum keine Skeptiker mehr. Wir finden das auch gut, gehen uns aber mal lieber 'ne Linsensuppe holen. Grundlage für den restlichen Abend.
Tortharry..., Torten Harry? Achso, Tortharry... also Tortuary gesprochen, macht das natürlich mehr Sinn. Denn um Torten schien es ganz sicher nicht zu gehen. Das tschechische Trio versteht sich vielmehr darauf in traditioneller Dying Fetus-Besetzung, brutalen und doch stets groovigen Death Metal in bester Asphyx-Manier zu kredenzen. Das ging auch an diesem Abend gut von der Hand und es gab kaum einen Nacken in der Meute zu sehen, der nicht im Takt rotierte. Dazu trug neben der rohen Gewalt der Band auch der äußerst wuchtige Sound bei. Immer wieder schön, wenn man was entdeckt, das man so gar nicht auf der Liste hatte. Hut ab!
Ah, endlich! Black Metal. Unlight sind auf dem Goremageddon keine Unbekannten, gaben sie sich doch bereits zur Ausgabe #3 die Ehre. Auch fünf Jahre später haben die Baden-Württemberger noch immer Feuer und mit ihrem neuen Album "The Katalyst of The Katharsis" sogar frische Töne im Gepäck. Diese wurden mit dem Titeltrack der neuen Platte auch direkt losgefeuert und unmissverständlich klar gemacht, dass es auch auf Album #6 nicht um Plüschbären und Zuckerwatte geht. Mit gutem Sound im Rücken konnten Unlight das Publikum schnell für sich gewinnen und überraschten mit einem sehr thrashigen Riffing, welches durch knacksauberes High-Speed-Drumming nach vorn getrieben wurde. Neben weiteren Titeln der neuen Platte wie "The Seven Libations" und "Temphioth", die gut ins Ohr gingen, konnten mit "By The Seventh Spell..." und "Dead All Things" auch Titel des Vorgängers "Sulphurblooded" gehört werden. Als Zugabe gab es am Ende noch "Invictus" und den Sodom-Klassiker "Wachturm". Wie immer eine saubere Angelegenheit. Mit Unlight macht man nichts falsch.
Squash Bowels sind nun bereits seit 20 Jahren im Geschäft, mir aber bis dato völlig unbekannt. Dass man dann eine Dampfwalze á la Haemorrhage und Exhumed geliefert bekommt, lässt das Herz natürlich höher schlagen. Mit fettem Sound und ordentlich Wumms auf der Bassdrum, prügeln sich die Polen durch ihr Set und wissen ohne großes Klimm-Bimm zu überzeugen. Einfach auf die Fresse und das ohne Kompromisse. Dufte!
Zonaria sieht man nicht gerade häufig, weswegen sie für mich eins der Highlights an diesem Abend waren. Gerade ihr 2008er "The Cancer Empire" schlug mich auf ihre Seite und die Hoffnung war groß, dass man davon auch ein paar Titel hören würde. Zuerst zeigten sie aber, dass auch ihr aktuelles Album "Arrival of the Red Sun" ordentlich Dampf mitbringt. Wenngleich der Sound an einigen Stellen hätte besser sein können, überzeugten die Schweden mit einer ansteckenden Intensität und Spielfreude, die mit "Contra Mundum" ihren Höhepunkt fand. Auch wenn der Sound noch ein Stück deathiger geworden ist, liegen Zonaria musikalisch noch immer nah an Hypocrisy und können dies auch auf die Bühne bringen. Da kann man direkt nochmal die alte Platte auflegen, wenn man wieder zuhause ist.
EpitomE boten zunächst einen schrägen Anblick und man wusste nicht so recht, was da musikalisch auf einen zukommt. Doch bitte keinen Metalcore, oder? Als es dann soweit war, dass die ersten Töne erklungen, war man noch immer verwirrt, aber bisweilen gut unterhalten. EpitomE spielen ihrerseits einen vielfältigen Mix aus Death Metal / Metalcore / Groove Metal und Schlagerpop, der vor Spielfreude strotzt, von Können zeugt und sich selbst dabei nicht zu ernst nimmt. Das wusste auch ihr Fronter gut auszudrücken, der unentwegt das Publikum motivierte und mit einem tanzenden Langhaarathleten seine Marionette gefunden hatte. Ein lustiges Schauspiel, das die Paderborner da ablieferten und eine gute Einstimmung auf die dänischen Nutten.
Besagte Nutten waren natürlich für viele der Grund nach Niesky zu fahren und mal ehrlich - wer hätte schon gedacht, dass es die kaputten Dänen mal so weit in den Osten verschlägt? Da waren sie nun endlich und Bo und sein Trupp ließen sich nicht lumpen, um ein monströses Geballer loszulassen. Lediglich das Mikrofon wollte an diesem Abend nicht so richtig mitspielen, was der sympathische Frontbär eingangs gelassen, aber auf Dauer leicht genervt versuchte dem Soundmann zu verstehen zu geben. Irgendwie ging es aber doch auch so und Bo versicherte sich aus dem Publikum heraus, ob er ausreichend zu hören ist. Mit frenetischem Jubel wurde er in den Reihen des besoffenen Pöbels empfangen und schien danach sichtlich zufriedener. Als zum Finale noch "A Child Is Missing" zu hören war, wurde einem fetten Abend endgültig die Krone aufgesetzt. Illdisposed haben den Schuppen definitiv zerlegt. Danke dafür!
So gespannt man im Vorfeld war, wie sich das H.O.L.Z. machen würde, so gut gelaunt verließ man den Ort des Geschehens wieder. Die Organisation hat reibungslos funktioniert und über zwei drei Pannen am Sound kann man getrost hinwegsehen. Alles in Allem war für jedwede Dringlichkeit gesorgt, die schmackhafte Linsensuppe warm und das Bier kalt; wenngleich das Landskron doch schneller leer war, als gedacht. Auch das Line-Up muss lobend erwähnt werden, da man immer eine gute Abwechslung zu hören bekam und alle Bands einen ordentlichen Job machten. Man kann sich bei der East German Death Metal-Crew und der Goremageddon-Mannschaft für den gelungenen Abend nur bedanken und hoffen, dass auch eine siebte Ausgabe stattfinden wird. Wir wären jedenfalls gern wieder mit dabei.