Auf eine gut eineinhalbstündige Anfahrt aus Richtung Chemnitz folgend, fährt man an Airfurt, dem wohl konkurrenzlos schlechtesten Wortspiel Thüringens vorbei, ehe man vor dem Club From Hell zum Stehen kommt, welcher von außen betrachtet eher einer gemütlichen Familiengaststätte gleicht, von innen jedoch eine beachtliche Größe und Ausstattung vorzuweisen hat. An diesem Abend sollten hier dreierlei Bands aufspielen, die zu diesem Zeitpunkt gemeinsam auf Vergeltungstour, abgehoben ausgedrückt, der "Lex Talionis"-Tour waren. Namentlich waren dies Eïs, Grift und Negator. Eine nette Mischung, die man sich an einem Dienstagabend schon mal geben kann.



Den Anfang machten die Schweden Grift, für welche dies der sechste und auch letzte Termin ihrer Tourbeteiligung sein sollte. Sowas könnte ja eigentlich gefeiert werden, doch zeigte sich an diesem Abend wieder die typisch deutsche Konzertverdrossenheit, denn der Saal war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Das ist schade, denn was Grift an diesem Abend abgeliefert haben, war ein druckvoller Gänsehautauftritt, der in einigen Momenten an Lifelover erinnern konnte und generell eine umwerfend melancholische Stimmung zauberte. Trotz einer gewissen Schüchternheit des Vierers, ergab sich schon allein durch die schaurigen Gitarrenriffs eine eindrucksvolle Bühnenpräsenz.

Grift
Grift

Diese Sentimentalität erfuhr jedoch einen jähen Abbruch, als mit Schaufel und Besen bewaffnete Schergen zum vorletzten Song die Bühne enterten und unumwunden zu reinigen begannen, was Sänger Erik Gärdefors nur verdutzt mit den Worten: "This was the most surreal thing I've ever seen on stage" zurückließ. Eïs-Fronter Alboîn schlich derweil kichernd durchs Publikum und verbalisierte, was sicherlich auch einige Andere im Raum betraf: "Das hat er glaub' nicht verstanden", womit der gute Mann natürlich auf deren geschauspielerte Metapher der letzten Bühnenreinigung verwies. Etwas irritiert ging es dann noch einmal traurig weiter und Grift verließen die Bühne. Sehr schönes Ding!



Die Nachfolge traten schließlich Eïs an, welche sich erfreulich schnell um ihren Umbau kümmerten und überraschend flink auf der Bühne standen, um mit "Ein letztes Menetekel" ihrer neuen Platte "Bannstein" diese Show zu beginnen. Dabei gaben sich die Meister der Umschulung durchweg unprätentiös und amüsant, was Black Metal-Puristen womöglich verärgern konnte, den Auftritt indes sehr familiär und kurzweilig machte. Dabei versuchte sich der Fronter sogar in Motivationsreden, um das Publikum näher vor die Bühne zu locken, indem er versicherte, dass alle Bandmitglieder jeden Tag geduscht hätten, worauf spontan aus dem Publikum erwidert wurde, dass dies bei ihnen eben nicht der Fall wäre. Nach kurzem Hin und Her einigte man sich darauf, dass doch alle ein paar Schritte nach vorne machen können und mit Aggression und Energie ging es kompromisslos weiter im Set.

Eïs
Eïs

Kurz vor "Helike" ging dann nochmal die Reihenfolge der Setlist durcheinander, aber wie im Interview zuvor versprochen, war am Ende aus jeder Epoche etwas dabei: "Ein letztes Menetekel", "Galeere", "Kainsmal" "Auf dem Bannstein", "Helike", "Winters Schwingenschlag" und "Mann aus Stein". Ob Seeleute, Bergsteiger oder ja, was sind sie jetzt eigentlich? Egal, Eïs verstehen ihren Job und können live genauso wie auf Platte überzeugen. Erst als der Gurt der Bassgitarre riss, geriet Alboîn kurz ins Rudern, woraufhin dieser das Spielen ganz sein ließ und den finalen Song "Mann aus Stein" nur mit Mikro verbrachte. Eine gute Idee, denn sogleich wirkte die Bühnenpräsenz des Fronters deutlich aktiver, gelenkiger und vor allem mitreißender. Bereits live wurde die Stelle an den dicken Saiten als vakant in spe feilgeboten und ehrlich gesagt, erscheint mir das als keine schlechte Idee. Ansonsten bekam man hier einen eindrucksvollen Gig geboten, voller Sympathie und Spielfreude.



Den Abschluss des Abends bildeten Negator, die ich zuletzt 2014 zusammen mit Macht und Arroganz in Chemnitz gesehen hatte. Laut meiner Erinnerungen ging es dabei hauptsächlich mit brutalen Blastbeats und straighten Auf-Die-Fresse-Riffs solange nach vorn, bis keiner mehr headbangen konnte.

Negator
Negator

Heute überraschten mich die Hamburger um Nachtgarm mit einem sehr melodischen, eingängigen und beinahe an frühere Behemoth erinnernden Set. Der Frontmann hat dabei alles fest im Griff und man merkt ihm deutlich an, dass er in seiner Rolle vollends aufgeht. Neben seinen reißenden Screams, ergänzt Bassist Hjalmort das Geschehen um einige tiefe Growls, was erfrischende Diversität in das Klangbild der Nordmänner bringt. Ein sehr solides Brett mit eingängigen Melodien und ordentlich Wumms in den Knochen. Das macht Laune.

Zu meckern gibt es an diesem Abend eigentlich nichts. Nur etwas mehr Leute hätten es sein können, womit die Kritik sich an euch, das Publikum, die Hörer und Fans richtet. Das Konzert ging zeitig genug los, dass man sicher auch nach den drei Bands ausreichend Schlaf bekommen konnte. Das nächste Mal den Schweinehund daheim bitte köpfen und als Bühnenschmuck mitbringen, denn wenn sich drei potente Bands an einem Dienstagabend die Seele aus dem Leib spielen, kann man da ruhig mal hingehen. Lobenswert zu erwähnen sind die beinahe penibel eingehaltenen Zeiten, so dass es wirklich zu kaum nennenswerten Wartezeiten kam und jede Band ohne jegliche Star-Allüren oder künstliches Hinauszögern auf den Brettern erschien. Da kann man den Leuten die nicht da waren nur mitleidig zurufen, dass sie einen schicken Black Metal-Abend in den unterschiedlichsten Spielarten verpasst haben. Gern wieder.