Erinnert sich noch jemand an das letzte Jahrtausend? Damals war vieles noch besser – auch In Flames haben damals noch heller gebrannt als die menschlichen Fackeln zu Neros Zeiten in Rom, während sie heute in vielerlei Hinsicht eher an eine „candle in the wind“ erinnern. 1999 erschien mit „Colony“ das letzte richtig gute Album der Göteborger und es markierte damit das Ende einer ganzen Ära.

Machen wir uns nichts vor – was war Ende der 90er Jahre noch viel vom Göteborger Melodic Death Metal übrig? At the Gates hatten sich bereits drei Jahre zuvor aufgelöst, In Flames kommerzialisierten sich zusehends und die einzigen, die dem ursprünglichen Sound noch halbwegs treu und gleichzeitig erfolgreich blieben, waren vielleicht noch Dark Tranquillity. „Whoracle“, das zwei Jahre vor „Colony“ erschien, ließ auch schon einige Tendenzen in Richtung des neuen Stils der Schweden erkennen, aber es war dennoch mit dem Göteborger Sound zu identifizieren, den „In Flames“ seit Anfang der 90er mitgeprägt hatten. Ihr Album „Clayman“, welches schließlich 2000 erschien, hatte einen komplett anderen Sound, der viel weniger an den Ur-Melodic-Death-Metal erinnerte, den die Jungs bis dahin produziert hatten.

„Colony“ war deshalb in jeder Hinsicht ein Scheidungskind, das irgendwie von beiden Elternteilen, also Mutter „Whoracle“ und Vater „Clayman“, das Beste in die Wiege gelegt bekommen hatte. Anders Fridéns Screams klangen viel klarer und professioneller als noch auf der Whoracle, die Songs waren eingängiger als vorher, aber nicht so einfallslos wie auf späteren Alben. Die Riffs waren schlichtweg genial, vor allem, wenn man an Tracks wie „Colony“, „Ordinary Story“ oder „Zombie Inc.“ denkt. Auch die Tendenz zum verstärkten Gebrauch von Clear Vocals in den Refrains nahm hier seinen Anfang, ein Markenzeichen, das den Stil von In Flames von da an ausmachen sollte.

Leider macht es diesen Stil mittlerweile zu sehr aus. Die Screams sind fast vollständig verschwunden und auf den neuen LPs finden sich fast nur noch irgendwelche Emo-Songs, die so eingängig sind, dass einem die Platte nach mehrmaligem Durchhören bereits auf die Nerven geht. Wer meine Review zu „A Sense of Purpose“ gelesen hat, der wird wissen was ich meine – die Songs sind einfach total einfallslos. Seit quasi drei Alben produzieren die Schweden nur noch denselben Müll. Das wäre weiter nicht tragisch, wenn die Jungs nicht solche Juwelen in ihrer Diskographie hätten wie eben die „Colony“, da weiß man leider, dass sie es besser können und kann jedes Mal nur hoffen, dass wenigstens die nächste Scheibe wieder besser wird.

Dass In Flames heute nicht einmal ansatzweise den Stil spielen, den sie zu Beginn ihrer Karriere mitbegründet haben, ist denke ich jedem klar. Aber auch auf der „Colony“ waren sie stilistisch schon weit davon entfernt, was mit „Lunar Strain“ seinen Anfang nahm. Wer das im Vergleich erleben möchte, der muss nur mal „Behind Space“ und „Behind Space ‘99“ anhören. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sehr sich eine Band innerhalb von ein paar Jahren so enorm verändern und verbessern kann, nur um dann mit ihrer Kreativität ins bodenlose zu fallen. Was damals noch eine Weiterentwicklung war, ist heute nur noch Fließbandproduktion. In meinen Augen ist „Colony“ das beste Album, das die Göteborger jemals produziert haben und ich fürchte, dass sie niemals wieder an diesen Höhepunkt anknüpfen können werden.

In Flames · Colony · 1999

Redaktion

verfasst von BloodyFox
vom 12.07.2009

9 / 10

Playlist

01 - Embody the Invisible
02 - Ordinary Story
03 - Scorn
04 - Colony
05 - Zombie Inc.
06 - Pallar Anders Visa
07 - Coerced Coexistence
08 - Resin
09 - Behind Space '99
10 - Insipid 2000
11 - The New Word