Irgendwie merkwürdig: Betrachtet man sich das musikalische Schaffen und doch zurückhaltende Auftreten von Neige, seines Zeichens Frontmann von Alcest, würde man nicht unbedingt einen musikalischen Wiederholungstäter erwarten. Scheinbar hat es ihn allerdings doch angefixt, sein musikalisches Schaffen auf die Bühne zu transportieren. So durfte man in diesem Jahr schon bei Old Silver Key seine Stimme vernehmen und auch bei Lantlôs liefert er zum wiederholten Male den Gesang. War Kollege Winterfreud mit „Tales of Wanderings“ eher unzufrieden, weil zuviel Alcest und zuwenig eigenständiges zu hören war, so kann man diesen Vorwurf bei „Agape“ nur teilweise gelten lassen.
Sicher, der Mann kann nicht aus seiner Haut, allerdings steht ihm mit Herbst ein musikalischer Alleskönner entgegen, der sein eigenes Ding durchzieht. Und so präsentiert sich „Agape“ als ein Album, das zum Glück nicht viel von der post-rockigen Attitüde geerbt hat, die bei Alcest herrscht. Auch auf den ziemlich weinerlichen Gesang, der große Teile der „Le Secret“-EP geprägt hat, darf der Hörer verzichten. Stattdessen errichten Lantlôs ein solides Ambient Gebäude, das in den ruhigen Momente nie in Gefahr gerät, von Kitsch unterspült zu werden.
„Agape“ wirkt trotz seiner knappen Spielzeit von 35 Minuten deutlich länger und das darf an dieser Stelle mal als Kompliment verstanden werden. Mit einem einmaligen Hördurchgang ist es nicht getan und auch wenn hier eigentlich nicht viel anders gemacht als auf den unzähligen anderen Genre-Veröffentlichungen dieses Jahres wirkt das Gesamtkonzept doch deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Da steht verträumtes Geklimper à la Alcest wie in „Intrauterin“ neben düster jazzigen Episoden bei „Bliss“, die man so auch bei Bohren und der Club of Gore erwarten könnte, und progressivem Geriffe, dass auch der Feder von Pelican entsprungen sein könnte („Bloody Lips and Paper Skin“).
Wer verträumte Ambient Musik sucht, die gekonnt zwischen ruhigen Ambiente und stampfigen Post Metal Riffs wandert, und überwiegend durch die keifige Stimmvariante von Neige veredelt wird, greift mit „Agape“ voll ins Schwarze. Persönlich hätte ich mir etwas weniger Zitate und noch mehr neues, eigenes gewünscht, weswegen ich hier nur 7 Punkte vergebe. Alle Angesprochenfühlenden dürfen gerne höher werten.