Schon einige Tage vor Erscheinen der französischen Liebesreise ließen Alcest ja bereits einen Einblick in das neuerliche Treiben zu. Sowohl der typisch undurchsichtig-französische Clip zu "Autre Temps", als auch die Single ließen verschiedene Mutmaßungen für "Les Voyages De L'Âme" zu. Dass sich diese nicht vollends bestätigen ist durchaus positiv.
Nicht unbedingt, dass "Autre Temps" kein netter Song wäre; dem doch eher metallisch verwurzelten Hörer könnte hier die Märchenkeule jedoch deutlich zu heftig ausgefallen sein. Gut zu merken, dass sich der Opener dann stimmig in das Album eingliedert und durch härtere, facettenreichere Momente relativiert wird. Es ist vielleicht ein bisschen wie mit Sólstafirs "Fjara", das auch erst im Kanon der Gesamtplatte seinen Reiz ausspielen konnte.
Dennoch muss festgehalten werden, dass Alcest 2012 deutlich sanfter geworden sind und noch mehr Kraft in eine träumerische, phantasievolle Stimmung ihrer Songs gesteckt haben. Die Franzosen leben ihre fabelhafte Kulisse bis zum Letzten aus und pendeln stets zwischen feinen Klangstrukturen und kraftvollen Rhythmuspassagen. Doch man schafft es, trotz aller Feinfühligkeit, nicht schwülstig, sonder vielmehr mystisch und nebulös zu klingen. Wenn auch die rauen Momente deutlich weniger geworden sind, blitzen sie immer wieder auf und verpassen der melodiös-harmonischen Traurigkeit eine weitere Qualität. An den Stellen, wo "Écailles de Lune" zeitweise noch etwas monoton daherkam, bilden nun ausgereifte Arrangements einen Fixpunkt für den Hörer, der ausschweifend, aber nicht überbordend wirkt. Man bekommt ein kompaktes, stimmiges Album, das gespickt ist mit schönen Momenten und kompromisslos gutem Songwriting. Vor allem das Schlagzeug weiß zu überzeugen, wenngleich die Double-Bass-Momente für meinen Geschmack viel häufiger in Neiges verträumte Flow-Passagen grätschen könnten.
Teilweise packt sich der umtriebige Franzose dann auch mal etwas zu viel Hall auf seine Stimme, was dann doch zu episch wirken kann. "Being of Light", das generell schon sehr sphärisch wirkt, aber zumindest auf Seiten des Schlagzeugs in den Black Metal driftet, klingt gen Ende beinahe schon wie Muse in ihren berauschtesten Momenten. Das Gros der Songs nimmt aber mit auf, ja der musste kommen, eine Reise. Man kann schwelgen und die Gedanken kreisen lassen. Diese Wirkung haben Alcest für sich gepachtet.
"Les Voyages De L'Âme" ist die logische Konsequenz aus "Ècailles de Lune", aber dennoch muss das nächste Album wieder eine Neuerung bringen. Dass die Franzosen nach dem letztjährigen Erfolg nicht gleich auf ein neues Pferd setzen, war zu erwarten und doch bleibt zu hoffen, dass sich Alcest hier nicht verrennen. Die Hit-Single dieser Platte kann indes nur "Faiseurs de Monde" werden. In diesem Sinne, Schnee im Wunderland!