Nachdem sie mit "Shifting" gezeigt haben, wie moderner Post-Hardcore klingen kann, wurde es ein bisschen ruhig um die Italiener At The Soundawn. Vier Jahre haben sie sich Zeit genommen, um auszuloten, was ihr Sound sein soll und wie man sich weiterentwickeln kann, ohne seinen Ursprung ganz zu verlieren. Diesem Prozess hat man den Namen "Visionaries" gegeben und zeigt, dass At The Soundawn anno 2014 musikalisch reifer, aber auch verspielter geworden sind.
Reifer aus dem Grund, dass die Arrangements auf ihrem neuen Album deutlich komplexer daher kommen, mit viel Dynamik gearbeitet wird und vielschichtige Klangteppiche erschaffen werden, die zeitweise lediglich durch eine variierende Abmischung eine neue Gestalt erhalten. An ihrer Sentimentalität haben die Jungs indes nichts verloren, denn immer noch bricht die melancholische Stimme von Luca De Stefano aus den progressiven Gitarrenstrukturen heraus und schafft damit eine melodisch süße, aber ebenso bitterlich traurige Stimmung. Und das obgleich die auf "Shifting" noch stark vertretenen Screams kaum noch Verwendung finden. Dieses Element kann man auf eine Art vermissen, gleichzeitig ist es jedoch beeindruckend, in welchen Facetten De Stefano seine Stimme einsetzen kann, um so gekonnt mit den deutlich experimentelleren Songstrukturen zu spielen, welche ihrerseits an Bands wie Heirs und Long Distance Calling erinnern. Mit "Visionaries" erfindet sich die Band nicht neu, doch hat man seinen Fokus deutlich verschoben. Es sind eher die filigranen Elemente, welche At The Soundawn auf "Visionaries" herausarbeiten, ohne dabei jedoch zu ruhig, zu gemütlich zu werden.
Auch auf dem nunmehr dritten Album schaffen es die Italiener aufwühlende und berührende Musik zu schreiben, doch haben sie ihren Ansatz verschoben. Man muss sich auf komplexe Strukturen einlassen können, um den Reiz dieser Platte zu entdecken, die Qualitäten eines Konzeptalbums aufweist. An Gänsehaut-Momenten fehlt es "Visionaries" definitiv nicht, sie sind nur anders gesetzt und fordern den Hörer heraus. Definitiv gelungen!