Schon des Öfteren habe ich mich gefragt, ob Bergen wirklich eine normale Stadt ist. Eine unschuldige Zweitmetropole, die idyllisch am Byfjord liegt und aus reinem Zufall eine Unzahl an giftspeienden Black Metal Bands hervorbringt. Sollte dies denn realistisch sein? Ich denke nicht! Bergen wird insgeheim eine schwarzmetallische Hochschule besitzen, an welcher Gaahl den Lehrstuhl innehat und Abbath kleine, wissbegierige Norweger darin ausbildet, Bergischen Black Metal zu komponieren. Auch Gravdal besuchten jene Schule und haben sich eine Menge mitgenommen. Auf ihrem Debüt-Album „Sadist“ beweisen sie einmal mehr, dass Norwegen das Zepter der düstersten aller Musikrichtungen stets in festem Griff hat!
Auf „Sadist“ regiert ein rauer und bodenständiger Ton. Die Riffs Gravdals sind simpel, eingängig, dabei sehr atmosphärisch und stimmungsvoll. Man spürt die Herkunft mit jeder Faser, man riecht den Nebel-durchzogenen Wald, fühlt die eisige Kälte langer Winternächte und die peitschenden Stürme in der Bucht. Das Schlagzeug geht treibend aggressiv vor und hinterlässt einen beständig stampfenden Rhythmus, welcher die Kraft der Musik hervorhebt und jedem Riff seinen eigenen Charme verleiht. Die oben angeführte Bergener Schule hinterlässt ihre Spuren deutlich in der drückenden Monotonie der Gitarren und den qualvollen Vocals, welche sich schmerzverzerrt durch die acht Einheiten kämpft und ein Gefühl von Verfall, Elend und Wut hinterlässt. Die Simplizität der Song-Strukturen bietet Raum für Gefühle, ausgelebte Pein und hassverzehrte Fratzen, welche einem durch Mark und Bein gehen.
Dann wird kurzzeitig Ruhe und harmonisch-melodiöse Klaviermomente reißen einen aus der kalten Tiefe, verzaubern einen, um letzten Endes wieder in bebender Kraft zu versinken. Gravdal gehen, wenngleich technisch einfach gehalten, sehr kreativ vor und setzten interessante, clever arrangierte Pausen ein. Sie verbauen kleine Intermezzi, welche das Gesamtkonzept sehr gekonnt unterstützen und zu einem lockeren, mitreißenden Hörerlebnis werden lassen. Man fühlt die Kälte und die düstere Stimmung der Musik mit jedem Sinn. Man kann spüren, welche Intention Gravdal in ihre Titel gesteckt haben und zuckt zusammen, wenn Galge seinem stimmlichen Horror freien Lauf lässt.
Gravdal sind auch keine strikt Black Metal verhafteten Genre-Glucken. Was funktioniert, wird auch eingebaut und so kann man neben sehr rockigen Parts wie im Titeltrack „Sadist“ auch kurze Heavy Metal-Anleihen entdecken. Mit „Den Kalde Marsjan Hjem“ wird dann auch nochmal kräftig in die Doom-Kiste gegriffen und ein sehr angenehmer, langsamer aber dennoch druckvoller Song erschaffen, welcher einem die Armhaare aufrichtet.
„Sadist“ ist keine Tortur für die Ohren, sondern wieder ein vorbildlichen Beispiel dafür, wie ein idyllischer Ort in Norwegen, feinsten Black Metal kreiert. Gravdal haben viel Potential und sollten für einige Befriedigung sorgen, auch das wird ihr Lehrmeister wohl vermittelt haben. In diesem Sinne, holt Euch das Hateschool-Musical!