Es ist kein ganz unbedeutendes Album, welches Ihsahn in diesem Jahr mit "Eremita" rausbringt, hat er die Erwartungen mit seinem 2010er "After" doch ganz schön angehoben. Die Frage ist, welche Erwartungen man in einen solchen Nachfolger setzt. Will man die Platte nochmal haben, nur mit anderen Riffs? Eine Erweiterung des Konzepts? Eine komplette Kehrtwende, die zeigt, was alles geht? Keine Ahnung! Mir auch egal, denn man muss sowieso mit dem arbeiten, was kommt.

In diesem Falle kommt eine deutlich progressivere und melodie-orientiertere Platte, die in der ersten Runde sperrig wirkt, ihre Qualitäten aber schnell offenbart. Wer noch zu sehr mit "After" (der Platte, nicht dem...) beschäftigt ist, könnte sich an der deutlich helleren Stimmung der ersten Songs stören, denn "Eremita" weist erkennbare Progressive Rock Strukturen auf, die definitiv weiter weg von Black Metal und Depression sind, dafür eher mal mit Modern Metal vorrücken. Nichtdestotrotz sind Ihsahns Songs keine Perlen der Fröhlichkeit, die Herangehensweise ist jedoch eine andere. Verspielte Strukturen, ein reduzierter Einsatz von Saxophon und Screams, dafür wieder mehr soli-eske Riffs, klarer Gesang und eine deutlich stärkere Dramaturgie, was das Songwriting betrifft. Das Alles kann anfangs zu viel sein, überladen wirken und sehr komplex erscheinen. Den Weg hinein findet man aber spätestens beim zweiten Durchgang. Zudem muss auch gesagt sein, dass "Eremita" ab "The Eagle And The Snake" deutlich eingängiger wird und endlich auch die getragenen Melodien auspackt, welche weitaus besser hängen bleiben, als das harte Gefrickel der ersten Titel. Von 4 bis 9 kann man eigentlich kaum noch meckern: Druckvolles Drumming, ein ausgewogener Mix aus Clearvocals und Screams, harmonische Melodien mit viel Atmosphäre und beinahe an Filmmusik erinnernde Passagen, wie das bereits oben erwähnte "The Eagle And The Snake", welches Züge von Hans Zimmers "Inception"-O.S.T. in sich zu tragen scheint. Zu einem Dauerbrenner ist schließlich "Something Out There" mutiert, welcher textlich an augenscheinlich weit verbreiteten Ehebräuchen partizipiert ("Something old, something new, something borrowed, something blue") und musikalisch vermutlich aus eben dem Grund deutlich härter und aggressiver nach vorn schlägt, was mehr schwarzmetallische Reminiszenzen durchscheinen lässt. "The Grave" grätscht dann nochmal direkt zurück zum alten "After"-Sound und auch "Departure" kann mit seinem Ausflug in den gefälligeren Jazz-Rock nochmal überzeugen. Allein die Akustikpause "Grief" hätte unter Umständen noch überdacht werden können, da der Hörfluss hier etwas ins Stocken gerät.

Sicher ist keinem von der Platte abzuraten, der zuvor schon gern "After" genossen hat (ja, ich weiß...), man bekommt es aber mit einer weniger zugänglichen Platte zu tun, die dafür mit erhöhter Progressivität und mehr Akzent auf Melodie an die Arbeit geht. Allein für die Songs 4 bis 9 lohnt sich das Antesten jedoch schon. Ob sich Herr Tveitan hier am generellen Einsiedler-Konzept abgemüht hat, Kierkegaard oder Antonius meint, keine Ahnung! Das würde auch nicht viel ändern. In diesem Sinne, Eindenken angesagt!

Ihsahn · Eremita · 2012

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 21.05.2012

7 / 10

Playlist

01 - Arrival
02 - The Paranoid
03 - Introspection
04 - The Eagle And The Snake
05 - Catharsis
06 - Something Out There
07 - Grief
08 - The Grave
09 - Departure