Man kann natürlich gemütlich an ein Debüt gehen. Erstmal Aufmerksamkeit bekommen und den Fuß in der Tür halten. Ganz gelassen, und das Folgealbum dann mit Schmackes auf den Markt hauen. Sicher keine seltene Praxis. Die Amerikanischen Doom/Deather von Seidr machen das aber nicht.

"For Winter Fire" schlägt im Moment der ersten Berührung direkt K.O. - absolut keine Kompromisse. Mit einer brachialen Wucht und Stimmgewalt, nebst feinsten Strukturen, wird eine Atmosphäre geschaffen, die irgendwo zwischen Post Rock, Funeral Doom und Melodic Death Metal liegt. Seidr Hybridisierung vorzuwerfen, wäre beinahe schon unverschämt! Die Genre-Hausnummern wurden derart fein verrührt, dass ein zähflüssiger Brei entsteht, der wie frischer Kuchenteig, die reine Köstlichkeit ist! Dennoch ist der Verzehr nicht schmerzfrei und kann in ein tiefes Loch führen. "For Winter Fire" kredenzt triefende Kraft-Balladen, schnellende Melodieschübe und malmende Growlschläge. Ein nordisch anmutender Tritt in Richtung Ahab meets Johann Hegg während eines zwanghaften Koitus mit Sólstafir. Ein gewaltiger Strom, dem man nach den ersten Tönen nur noch schwer entkommen kann - einnehmend, umwerfend und stimmungsvoll! Doch ist dieser perfid-leidvolle Lustakt umhüllt von einer Ausgiebigkeit, die womöglich nicht allen gefällt. Riffs klingen hier nicht nur an, sondern auch aus und Songs entwickeln sich in einer zähflüssigen Intensität, die erst durch die zeitliche Beständigkeit ihr volles Potential entfaltet. Eine Herangehensweise, die nur mit Ambition zu betiteln ist. "For Winter Fire" ist kein schnell gehörtes Album (es geht glatte 75:20 Minuten). Es ist kein Album für knackig-prägnante Songs (das Mittel liegt bei 10:75 Minuten). Seidr haben vielmehr ein Hörspiel geschrieben, dass eben nicht via narrativer Erzählstrukturen, sondern durch impulsivem Doom/Death erzählt. Wer schnelle Progression und zackiges Geballer sucht, ist hier fehl am Platz!

Seidr haben kein einfaches Debüt gewählt, aber ein umso ehrlicheres Druckbrett, dass jedem Doom-Fetischisten die Haare vom Kopf fegt. Ausgereift, passioniert und wirkungsvoll! Und wer zudem Neil Young auf Doom covert, kann auch nicht verkehrt sein! In diesem Sinne, Erdrutschgefahr!

Seidr · For Winter Fire · 2011

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 07.11.2011

9 / 10

Playlist

01 - A Vision from Hlidskjalf
02 - On the Shoulders of the Gods
03 - Sweltering
04 - In the Ashes
05 - The Night Sky and the Wild Hunt
06 - A Gaze at the Stars
07 - Stream Keeper