Vorspiel:

Riesige Ankündigungen schallten dem Release des nunmehr fünften Watain-Albums voraus. Gerüchte machten die Runde, dass „The Wild Hunt“ den Kern dessen verkörpere, was Watain ausmacht - quasi das endgültig Satanische hinter der schwedischen Pudelmaske von einst. Hier soll es wirklich um etwas gehen, schienen die Ankündigungen sagen zu wollen. Jetzt ist die große Jagd eröffnet und man muss schauen, ob das 11-Titel starke Werk diesen Überhöhungen standhalten kann.

Rezension:

Der 2010er-Vorgänger „Lawless Darkness“ hatte den Jungs aus Uppsala einen ordentlichen Aufschwung beschert, der über die untergründigen Szenegrenzen hinausging. Es wurden plötzlich die ganz dicken Festivals gespielt und vor der Bühne standen die nicht mehr ganz düsteren Gestalten, um sich mit Blut bespucken zu lassen. Nein, Watain waren in der gröberen Masse angekommen. Jetzt stellt sich die Frage, was der nächste Schritt sein soll. Diese Masse beglücken und die druckvolle Black 'n' Roll-Schiene weiterfahren, oder sich einen neuen Sound suchen und durch eine minimierte Eingängigkeit das Publikum wieder dezimieren?

Schwer zu beantworten, denn zum einen merkt man deutlich, dass sich der Sound auf „The Wild Hunt“ markant geändert hat, Watain sich hier jedoch nicht gerade neu erfinden. Kälter ist der Klang geworden und trotz ordentlicher Produktion wirkt dieser irgendwie dreckig. Zuerst fällt der unglaubliche Reverb auf, der hier auf allem liegt. Gleich bei „De Profundis“ spielt man dies mit untypischen, aber interessanten Tom-Rolls aus. Das Ding hallt dabei, als hätte man es in einer riesigen Höhle aufgenommen. Zu den Promobildern passt das und bei den Schweden weiß man nie, ob die Aufnahmen vielleicht genauso gelaufen sind. Dazu hat man deutlich mehr Mitten, weniger Bässe und einen klaren, aber irgendwo räudig-fiesen Gitarrenklang, der durch einen recht hoch blubbernden Bass unterstützt wird. Das Songwriting hingegen unterscheidet sich gar nicht so essentiell von dem, was man bereits auf „Lawless Darkness“ gehört hat. Wuchtige Riffs, treibende Drums und neben kalten Old-School-Riffs immer eine Portion Rockigkeit, nur dass man grundlegend etwas langsamer geworden ist und zeitweise sogar richtig groovig klingt. Songs wie „Black Flames March“ und „All That May Bleed“ hätten indes auch auf dem Vorgänger zu finden sein können, klingen jedoch anno 2013 deutlich trockener. Die Kraft kommt weniger aus der Geschwindigkeit, sondern von der beinahe schon heavy-metallischen Wuchtigkeit der Riffs und Drums. Dazu arbeitet man viel mit Breaks, spielt mit Geschwindigkeiten und erreicht so einen fast schon (natürlich bitter-bösen) sakralen Klang, was durch den oben bereits genannten Hall noch verstärkt wird. Die Gitarren arbeiten dabei auf Hochtouren und schaffen es, eine fette Soundwand zu kreieren, die immer gut nach vorn geht, ohne jedoch groß zu überraschen.
Die einzige wirkliche Überraschung ist „They Rode On“. Ein Titel, bei welchem man sich brutale Off-Beats, schnelle Riffs und einen fies keifenden Eric Danielsson vorstellt, jedoch einen Classic Rock-Schinken à la Jon Bon Jovi geliefert bekommt. Ja, tatsächlich, Danielsson widmet sich dem Klargesang und seine Gitarristen verfallen sofort in balladeske Rührseligkeit. Wenngleich man merkt, dass die Schweden auch dieses Genre bedienen könnten und jede große Band irgendwann mal eine flätzige Ballade und einen im Titel selbstreferentiellen Song braucht (jedenfalls war das in den 80ern so), wirklich fruchten will das Intermezzo aber nicht. Gerade auch, weil „Sleepless Evil“ dann seinerseits so erbarmungslos nach vorn prügelt, wie man es sich von „They Rode On“ erhofft hätte. Fast, als würde man sich mit gesteigerter Geschwindigkeit und Aggressivität für den kurzen Exkurs entschuldigen wollen. Liebe Schweden, ihr müsst euch nicht entschuldigen. Das kann ja mal passieren. Erst mit „The Wild Hunt“ greift man den Klargesang in einem Mid-Tempo-Part partiell wieder auf, was deutlich besser funktioniert.
Der Rest scheint nach einem experimentelleren Schema aufgebaut zu sein: „Outlaw“ wirkt irgendwie indianisch-rituell, „Holocaust Dawn“ ist im Grunde schon Doom Black Metal und lässt mit seinem clownesken 3/4-Takt kurz aufhorchen und das instrumentale „Ignem Veni Mittere“ ist auch nicht zu typisch für die Black Metaller.

„The Wild Hunt“ ist definitiv ein gutes Album geworden, nur hat es erwartungsgemäß nicht den prognostisch zugeschriebenen Effekt der absoluten Sprachlosigkeit beim Hörer. Die Platte geht gut ins Ohr, hat viele eingängige Riffs sowie einige Überraschungen in petto und wird Freunde von Watain sicher mitnehmen. Der Sound mag gewöhnungsbedürfig sein, zu der düster-kalten Stimmung von „The Wild Hunt“ passt dieser meines Erachtens jedoch gut. Heute klingen Watain mehr nach schwedischem Wald als 2010. Will man es kurz fassen könnte man sagen, dass Watain mit „The Wild Hunt“ das Album gemacht haben, auf das Satyricon-Fans seit sieben Jahren warten. In diesem Sinne, Waidmanns Heil!

Watain · The Wild Hunt · 2013

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 22.08.2013

8 / 10

Playlist

01 - Night Vision
02 - De Profundis
03 - Black Flames March
04 - All That May Bleed
05 - The Child Must Die
06 - They Rode On
07 - Sleepless Evil
08 - The Wild Hunt
09 - Outlaw
10 - Ignem Veni Mittere
11 - Holocaust? Dawn