Pünktlich zur Eröffnung unserer Festivalsaison sollte es mal wieder die bisher heißesten Tage des Jahres geben. Die brandenburgische Steppe glühte aber drei Tage nicht nur Dank wolkenlosen Sonnenterrors, sondern auch wegen einem Haufen fantastischer Bands aus dem Death und Grind-Genre, die sich in der 500 Seelengemeinde Protzen versammelt hatten. Die Bevölkerungszahl sollte sich in diesen Tagen mindestens verdoppeln, denn circa 500 Metalheads hatten sich eingefunden, um sich so richtig schön die Rübe weichkochen zu lassen.
FREITAG:
Boiler
Den Auftakt im alten Hangar auf dem Festivalgelände durften Boiler geben. Eine Gitarre, ein Schlagzeug und eine Stimme - mehr brauchten die Schwaben nicht, um ein solides Grind-Feuerwerk abzufackeln. Jede Menge Pigscreams von Frontsau Mario (nebenbei für die Napalm Entchen am Start), tiefes Gitarrengeschrummel und Blastbeats ließen die Herzen der vielleicht 20 Anwesenden aufgehen. Viele zeigten ihre Sympathiebekundungen durch merkwürdige Handbewegungen (winkend über dem Kopf) und jeder Menge wehender Haare. Dafür sollte es dann auch noch für alle selbstgebrannte Promo-CDs geben. Definitiv ein gelungener Start für zwei Tage voller Krach und Schweiß.
Obscure Mortuary
Obscure Mortuary feuerten in dieselbe Richtung, das Material wirkte aber leider nicht so spannend und durchgeknallt wie das ihrer Vorgänger. Für viele jedoch kein Grund, nicht ebenso heftig abzugehen. Jede Menge Alkohol und die pralle Sonne entfalteten langsam ihre Wirkung. Die Mischung aus Black, Death und Grind war mir zwar zu gleichförmig, allerdings für 40 Minuten Durchdrehen sehr geeignet.
Dead Remains
Dead Remains verliehen ihrem Namen Ausdruck, indem sie sich mit einem (eigentlich untoten) „Überbleibsel“ früherer Tage auseinandersetzen: Oldschool Death Metal der kompromisslosesten Sorte ballerte hier aus den Boxen. Dazu bangte sich eine sehr spielfreudige Band die Seele aus dem Leib und Frontmann Thomas gab alles, um dem Publikum bei drückender Hitze in der Wellblech-Höhle noch mehr einzuheizen.
First Aid
First Aid sollten mit ihrem Thrash-Brett das bisher todesbleierne Geprügel auflockern und taten dies auch äußerst respektabel. Der Gesang war erfreulicherweise etwas dunkler gehalten, als man es sonst von Thrashern gewohnt ist und auch die Riffs wirkten an manchen Stellen fast schon todesbleiern. Nicht das jetzt hier falsche Assoziationen aufkommen, denn letztendlich handelte es sich um feinsten melodischen 80er Jahre Thrash dem heutzutage nur noch wenige junge Bands frönen. Vor allem auf derart hohem Niveau.
Lagerfeuer
Necromorph sind schon 10 jahre auf den Bühnen dieser Welt unterwegs und diese Routine merkt man ihnen auch deutlich an. Mit fiesem Death/Grind, immer geradeaus ins Gesicht, versuchten die Berliner das Publikum mitzureißen, was ihnen auch recht ansehnlich gelang. Mir fehlte in dem ganzen Gehacke ein wenig die Abwechslung, so dass ich es mir erstmal vor dem entfachtem Lagerfeuer gemütlich machte.
Blood
Lagerfeuer sind ja an sich erstmal eine gute Idee, bei ganztägigen Temperaturen über 30 Grad jedoch nicht unbedingt das, was man unter einer Abkühlung versteht. Auch Blood kannten keine Gnade und heizten dem Publikum mit einer Feuershow erstmal richtig ein. Für mich waren die Urgesteine der deutschen Death/Grind Szene bis dahin völlig unbekannt, obwohl sie auf fast 20 Jahre Bandgeschichte und 7 Alben zurückblicken können. Auch wenn die Herren teilweise schon etwas angegraut sind, in ihrer Spielfreude und technischen Perfektion übertreffen sie locker viele junge Bands. Vor einem gut gefülltem Hangar prügelten sich die Speyerer durch ein fettes Death/Grind Brett, das zwar heutzutage nichts besonderes mehr ist, jedoch immernoch in der oberen Liga mitspielt.
Eine harte Woche, jede Menge Alkohol und ein kleiner Sonnenstich sollten für den ersten persönlichen Ausfall seit langem führen. Die kleine Pause, die ich mir zwischen Blood und Origin gönnen wollte, wurde zu einem längeren Nickerchen im Auto, aus dem mich nicht einmal meine Begleitung aufwecken konnte, so dass ich auch So Fucking What verschlief. Es sollte der einzige Schlaf an diesem Abend bleiben.
SAMSTAG:
Schattenplatz
Leider beschalte die Stereoanlage auf dem Festivalgelände den Zeltplatz bis 5 Uhr früh zuerst mit (durchaus gutem) Metal um dann kurz nach Sonnenaufgang zu preußischen Liebesbekundungen an Berlin zu wechseln. An Schlaf war also bis halb 6 nicht zu denken und nach der Menge der zerknitterten Gesichter zu urteilen, die sich rundherum gegen Mittag aus ihren Zelten quälten, machten viele die Nacht zum Tag. Die Alkoholleichen vom gestrigen Abend kamen wieder in Bewegung und suchten sich ein schattiges Plätzchen zum ausnüchtern, denn auch heute sollte wieder ein unbarmherzig heißer Tag werden.
Diseased Ghoul
Diseased Ghoul durften heute den Startschuss geben und feuerten gleich mit allem was sie hatten. Death/Grind herbster Sorte stand auf dem Programm und die jungen Musiker aus Berlin verstanden ihr Handwerk wirklich ausgezeichnet. Fette Riffs und das extreme Organ von Fronter Markus dürften bei einigen die Köpfe wieder freigeblasen haben. Pink Floyd Coverbands klingen anders...
Erben des Zorns
Mit abwechslungsreichen Deathmetal und deutschen Texten wollten die Kieler Erben des Zorns es ihren Vorgängern gleichtun. Die Songs waren gut arrangiert, aber irgendwie fehlte mir das gewisse Etwas und vor allem die häufigen Midtempo-Parts langweilten eher. Aussagen der Sorte „Selbstjustiz ist geil!“ taten ihr Übriges und so nutzte man die Gelegenheit für ein kühles Bierchen.
Moshquito
Jetzt gab es ein Rendevouz mit der Heimat: Die sächsischen Death/Thrasher von Moshquito überzeugten mal wieder mit ihrer absolut sympathischen Art und vor allem Dauergrinser und Schreihals Micha wickelte das Publikum mal wieder im Handumdrehen um den kleinen Finger. Treibende Riffs und kranke, wechselnde Soli sorgten dann auch für die ersten Bewegungen des Tages, die dennoch recht zaghaft ausfielen. Dafür hörte man es jetzt an allen Ecken sächseln, was einem fast die Freudentränen in die Augen treiben konnte. Es war ebenfalls sehr schön mitanzusehen, das die Songs vom neuen Album „Behind The Mask“ so positiv aufgenommen wurden. Einfach sächsy!
Ancient Existence
Knall auf Fall gings mit Ancient Existence weiter. Ausgestattet mit fast schon pompösen Bannern gab es nun drückenden Death Metal der eher schleppenden Sorte. Six Feet Under und Bolt Thrower ließen grüßen. Auch wenn ich vom neuen Album „Death Fucking Metal“ ziemlich enttäuscht bin, konnte das Material auf der Bühne durchaus überzeugen, ließ sich aber deutlich von den früheren Sachen abgrenzen. Songs wie „Cold Dark Void“ oder „Once And For All“ sind halt schwer zu toppen. Schwer zu toppen dürfte auch der Gesang sein. Mir ist derzeit kein Sänger bekannt, der ohne Pitcher so tief kommt. Fetter Auftritt der zu wenig Beachtung bekam.
Fleshless
Fleshless sollte dagegen alle Aufmerksamkeit sicher sein. Die Tschechen sind zur Zeit mit das Beste, was der Death/Grind zu bieten hat und so sah man bereits während der ersten Songs einen ansehnlichen Moshpit. Bei solchen Nackenbrechern wie „Contract Of Blood“ oder „Final Cut“ vom 2005er Dampfhammer To Kill For Skin bleibt halt kein Stein auf dem anderen. Das neue Material des soeben erschienenen Nachfolgers fügte sich perfekt in das Set ein und so wurde schnell klar, das Gesamtbild stimmt bei den sympatischen Ostblockern einfach: Perfekte Gitarrenarbeit von der immer böse schauenden Fleischmütze und dem MacGyver Gedenk-Vokuhila treffen auf kranke Screams und Growls von Samson aus der Sesamstraße: Definitiv einer besten Auftritte an diesem Wochenende.
Goregast
Für die größten Begeisterungsstürme bisher sollten dann aber Goregast sorgen. Während sich ein Zuhörer vor uns mit der abschätzigen Aussage „Ey Frauenbonus...“ aus dem Hangar bewegte, quittierte sein Kumpel dies nur mit einem achselzuckendem „Na und?“. Zugegeben, die Sängerin gehört wohl zu den schönsten und niedlichsten Frontfrauen, die mir spontan im Metal einfallen, ohne ordentliche Songs geht aber trotzdem niemand ab. Und die hatten sie im Gepäck: Soweit ich das nachvollziehen kann (lyrisch nicht aufzuschlüsseln) spielen die Berliner „Animalpower Death Grind“, also im Prinzip Gewalt die von Tieren gegen Menschen ausgeht. Schöner Perspektivwechsel. Manifestation fand die Idee dann in jeder Menge Uptemponummern, in den locker zwischen Screams und Growls gewechselt wurde und auch sonst viel variiert wurde. Am Ende durften sich alle über eine der wohl süßesten Begründungen für eine Zugabe freuen: „Zugabe? Na gut, weil ihr so niedlich seid!“
Bei Cliteater wundere ich mich jedesmal über den Status, den diese Band in den letzten sechs Jahren erreichen konnte. Ja, die Holländer gehen auf der Bühne richtig ab und Grind steht ja nicht gerade für Abwechslungsreichtum, aber in den letzten drei Auftritten habe ich im Prinzip keine Möglichkeit gefunden, die Songs voneinander zu unterscheiden. Definitiv ein Grund für eine Futterpause...
Fleshcrawl
...um frisch gestärkt bei Fleshcrawl wieder auf der Matte zu stehen. Eigentlich gibt es wenig Neues zu berichten. Ohne Kritik äußern zu wollen: Die Auftritte jüngerer Zeit ähneln sich sehr stark. „As Blood Rains From The Sky“, „Made Of Flesh“, „Beneath A Dying Sun“, „Fleshcult“ und weitere Songs gehören mittlerweile zum festen Repertoire und zünden immer wieder. Die Stimmung bei Fleshcrawl war also mal wieder auf dem Höhepunkt. Nur Sven schien heute etwas schwächer bei Stimme zu sein als sonst. Naja, nur Kleinigkeiten, ansonsten spulten die Jungs ihr Set auf hohem Niveau runter.
Die Fliegenklatsche
Terminliche Engpässe zwangen uns, Asphyx ausfallen zu lassen. Vermutlich mobilisierten alle Metalheadz jetzt nochmal ihre Kraftreserve und feierten gemeinsam einen gelungenen Start in die Open Air Saison und das Ende eines wunderbar harmonischen Festivals, das viele skurrile Randerscheinungen zu bieten hatten (Stichwort Fliegenklatsche...) aber keinerlei Totalausfälle irgendwelcher Alkoholica. Protzen 2009? Gerne wieder!