Vor zwei Jahren konnten sich Helrunar mit dem überraschend starken Album "Frostnacht"; in kürzester Zeit eine große Fanbase erspielen. Aber es gab auch kritische Stimmen: die Produktion sei zu glatt und die Melodien zu eingängig. Nun, die Produktion sollte diesmal keinen Anlass für Kritik geben. "Baldr Ok Iss" wirkt rauer und kälter als der Vorgänger und auch sonst hat sich einiges getan.
Die Münsteraner behaupten in Interviews zwar, dass die Lieder eher zufällig und nicht nach Konzept (wie auf Frostnacht) entstanden seien, allerdings lässt sich eine grobe Zweiteilung erkennen, die schon im Albumtitel ersichtlich wird. Thematisch handeln die Songs nämlich von Balder (germanischer Gott des Lichtes und der Güte) und Eis (vor allem in seiner zerstörerischen Weise). So wirken Lieder wie "Schwarzer Frost" und "Iss"; deutlich fieser und bissiger als etwa das epische "Balder". Das Songwriting gewinnt dank fehlender starrer Grenzen deutlich an Abwechslungsreichtum und Experimentierfreude. Viele Lieder sind über sechs Minuten lang, jedoch zu keinem Moment langweilig. "Til Jardrar"; ist dabei gesondert zu erwähnen: ausgehend von einem Riff, das man eher bei Tocotronic erwarten würde, entfaltet sich ein fantastisches schwarzes Gebilde, das erst durch die akkustischen Gitarren am Ende wieder beruhigt werden kann. Lyrisch bilden Helrunar immer noch die Speerspitze der deutschen Pagan Szene. Nicht nur weil Skald Draugnir, seines Zeichens Sänger und Student der Skandinavistik, mal wieder zeigt, was man mit so einem Studium alles anfangen kann, auch die deutschen Texte bilden eine Ausnahme. Viel zu selten bietet der Metal überhaupt die Möglichkeit einer Metaebene. Aber wenn es dann bei "Hunta und Boga" schließlich tönt: "...Wer bewacht die Wächter?", dürften nicht wenige Parallelen zu Sicherheitsdiensten und gläsernen Bürgern entdecken. Eine Aussage, älter als das Kreuz. "Quis custodiet custodiam?"
Aber wo Licht ist, ist auch Eis, beziehungsweise Schatten. Die klaren Gesänge passen irgendwie garnicht ins Gesamtbild und wirken zu harmonisch und pathetisch. Hier wurde über das Ziel hinausgeschossen. "Baldrs Draumar" versagt als Outro dann vollkommen. Klar wirkt es authentisch, die Baldr-Sage auf Altsüdwestindoisländisch (...) gelesen zu bekommen, Gitarrenuntermalung wäre jedoch passender gewesen.
Das sind aber nur kleine Sachen, denn die Summe der fantastischen anderen Lieder macht dieses Album zu einer der besten Scheibe im Pagan Black Metal in diesem Jahr. Wer beim Probehören sowohl von "Schwarzer Frost" als auch "Hunta and Boga" überzeugt wird, sollte sich dieses Album kaufen.